Trias
Telefondrähte heiß. Doch wie immer die Chinesen auch die Lage betrachteten: Die Begründung Berlins, dass dies nur eine Notfallübung sei, war erst einmal nicht zu widerlegen.
Man behalte sich dennoch weitere Anfragen vor, hieß es.
In den Redaktionen der örtlichen Verlage, der Fernseh- und Radiostationen rüsteten sich die Journalisten zu einer aufwändigen Berichterstattung. Solch ein Ereignis hatte es in der deutschen Hauptstadt noch nicht gegeben. Eine Terrorabwehrübung, in der alle Verteidigungsapparate miteinander verzahnt werden sollten, war ein einmaliges Schauspiel, das attraktive Bilder- und Reportageszenen versprach.
Auch Redakteure der Berliner Tagespost waren vor Ort. Katja Kirchner und weitere Kollegen aus der politischen und der lokalen Redaktion hatten sich mit ihren Presseausweisen bis dicht an das Bundeskanzleramt herangearbeitet.
Paul Graf von Sprock war an dem Spektakel noch weniger als desinteressiert. Bis in die Villenvororte Berlins drangen die vieltönigen Sirenen der Polizei- und Bundeswehreinheiten ohnehin nicht. Ihm brannte ein ganz anderes Vorhaben unter den Nägeln, das sich mit einer Beobachtung von Sicherheitsleuten noch weniger vertrug als Glut mit einem Eimer Wasser.
Über ihre Botschaft in Berlin drangen nur spärliche Informationen über die Berliner Ereignisse an die Verbindungsleute des BKA in Prag. Den Zeitungen der tschechischen Hauptstadt war die Vorberichterstattung über den Aufmarsch von Terrorabwehreinheiten, deutschem Militär und Tausenden von Schutzpolizisten nur ein paar Zeilen wert. In Prag war man viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Wieder einmal wackelte die politische Allianz aus Sozialisten und Christdemokraten - ein Vorgang, an den sich die Tschechen seit Mitte dieses Jahrzehnts gewöhnt hatten. Auch Gabriela Malichova blieb nicht viel Zeit, um über Sicherheitsaufmärsche in der Hauptstadt des mächtigen Nachbarstaates nachzudenken. Sie hatte genug zu tun, der Prager Burg den dreisten Diebstahl des Y3-Sprengstoffs und seiner »vorsorglichen« Vernichtung durch eine amerikanische Spezialeinheit plausibel zu erklären und gleichzeitig eine diplomatische Verstimmung zwischen Washington und Prag zu vermeiden. Im tschechischen Ministerium für Wirtschaft und Technologie jagte zwischen den Behörden eine Telefonkonferenz die andere.
Zeitgleich zum Beginn der Terrorabwehrübung in Berlin setzten auf dem etwa 200 Kilometer entfernten, nordöstlich von Berlin gelegenen Militärflughafen Laage bei Rostock mehrere Hubschrauber amerikanischer und russischer Bauart auf. Zwei Typhoon-Kampfflugzeuge und drei MIG-29-Abfangjäger überflogen im Minutenabstand das Gebiet. Den Bewohnern der Region erschien daran nichts Auffälliges: Der Militärstützpunkt Laage war gleichzeitig auch Übungsgelände für die Frischlinge aus den Fliegerakademien der Bundeswehr. Auch dass ein paar Kriegsschiffe mehr als sonst im Seegebiet zwischen Wismar im Westen und Stralsund im Osten ankerten, bedeutete für die Anrainer nichts Ungewöhnliches. Schließlich waren östlich von Rostock Marineeinheiten der Bundeswehr stationiert.
Dass die Insassen der Hubschrauber besonders beschützenswert waren, zeigte die Präsenz einer Spezialeinheit zweier Staffeln von Luftlandetruppen der Bundeswehr. Sie hatten die Hubschrauberlandeplätze umstellt und hielten sich die gesicherten G36-Schnellfeuergewehre vor die Brust. Scharfschützen hatten sich an den Rändern des Flugfeldes in Bäumen, hinter mit Gras bewachsenen Flugzeugsilos und in gepanzerten Fahrzeugen postiert. Ein Awacs-Aufklärungsflugzeug war vom amerikanischen Fliegerhorst Rammstein gestartet und funkte Videodaten in das militärische Lagezentrum des Jagdgeschwaders 73.
Das Gesicht von Bundeskanzlerin Sprado glühte. Ihr war eindeutig die Aufregung über das bevorstehende Ereignis anzusehen. Die Kanzlerin und ihr Organisationsstab standen inmitten des Spaliers der Soldaten, die ihrerseits nicht ahnten, wer aus den Helikoptern steigen würde. Sie tippte Kanzleramtschef Wilkens in die Seite.
»Gute Arbeit, alle Achtung.« Wilkens’ Augen leuchteten stolz, sein Gesichtsausdruck drehte augenblicklich von Anspannung auf Dankbarkeit. Seit vergangenem Samstag hatte ein klein besetzter Organisationsstab das Treffen zwischen der deutschen Bundeskanzlerin, dem russischen Präsidenten und seiner amerikanischen Amtskollegin im Eilverfahren vorbereitet.
Als sich die Bordtüren aller vier Hubschrauber öffneten, fuhr eine starke
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