Trias
»Aber dazu werde ich später noch etwas Konkretes sagen.« Er folgte damit seinem Vorgesetzten. Auch hielt er selbst es nicht für klug, vorzeitig zu verbreiten, dass es sich um zwei Männer des deutschen BND handelte.
Talo übernahm jetzt. »Wir erfuhren von einem Mittelsmann aus der New Yorker MSS-Residentur, dass die ehemalige Statthalterin von Lee Kong, eine Frau namens Ling Yu, einen Anschlag auf Senator Gordon Smith geplant hatte. Ihr Vorhaben scheiterte jedoch. Dies sind deutliche Hinweise darauf, dass Peking mit allen Mitteln Trias verhindern will. Wir haben Ling Yu übrigens mittlerweile liquidiert und die als Konsulat getarnte MSS-Residentur geschlossen. Damit dürften wir das chinesische MSS in den USA erheblich geschwächt haben.«
Kaltenborn sah anerkennend auf den CIA-Mann. Der beugte sich zu dem BKA-Vize hinüber und sagte leise in dessen linkes Ohr: »Peggy, meine beste Agentin, hat erst den Koch eines chinesischen Restaurants mit ein paar schmerzhaften Griffen für einige Minuten ausgeschaltet. Dann hob sie das Pfeilgift Curare unter die Glasnudeln. Ein geleeartiger Extrakt aus der Rinde einer südamerikanischen Lianenart. Absolut geschmacklos und tödlich. Lähmt Atmung und den Herzmuskel innerhalb weniger Minuten. Sie zog sich die Kochmütze des armen Küchenakrobaten über, schlang sich ein schmutziges Geschirrhandtuch um die Hüften und servierte unserer Todeskandidatin... darf ich sagen... the last meal ?« Talo grinste breit.
Kaltenborn übersetzte sich die letzten Worte Talos mit Henkersmahlzeit . Er bekam einen trockenen Mund.
Talo lehnte sich wieder in seinen Stuhl zurück. Er hatte so leise gesprochen, dass Croy von all dem nichts verstand.
»Der Senator ist jetzt in Sicherheit?«, fragte er bei Talo nach.
»Wir haben ihn und seine Familie gegen seinen Willen aus Washington ausgeflogen.«
Croy kehrte indes zu seinem eigentlichen Text zurück. »Wir haben noch etwas in Erfahrung bringen können. Es sind etwa einhundertfünfzig Kilo C4-Sprengstoff aus Semtin gestohlen und in einem Fahrzeug mit Diplomatenkennzeichen abtransportiert worden …«
»Wir müssen wissen, wohin der Sprengstoff ging«, schoss Talo dazwischen. Ihm schwante Böses. Schließlich war seine Behörde für die Sicherheit des Präsidenten mitverantwortlich.
»Gibt es Videoaufzeichnungen von der Grenze, Beobachtungen von Augenzeugen, eine Recherche bei den diplomatischen Vertretungen in Tschechien?« Und dann fügte er zynisch an: »Ist meine Annahme richtig, dass niemand hier im Raum zweifelsfrei ausschließen kann, dass der Mann den Sprengstoff nicht für private Zwecke gestohlen hat, sondern eventuell den halben G8-Tagungsort zerlegen will?« Talo war jetzt richtig aus dem Häuschen.
»Wir sind an dem Mann natürlich dran. Er wird beobachtet, seitdem er Semtin verlassen hat«, sagte Kaltenborn ruhig.
»Er muss, so schnell es geht, neutralisiert werden«, warf Talo ein.
»Da haben Sie recht. Auch daran arbeiten wir bereits.« Kaltenborn lächelte kühl. Und er wusste auch schon, wie das geschehen würde.
Schnell übernahm Croy wieder die Regie. »Eine andere Spur, die wir verfolgen, führt zu einem Düngemittelfabrikanten aus Berlin. Sein Name ist Paul Graf Sprock, ehemals ein guter Bekannter des ermordeten T. G. Spread. Bei ihm fanden wir ein handfestes Motiv für ein mögliches Attentat.«
Croy hatte nun die gespannte Aufmerksamkeit aller. »Wie wir alle wissen, liegen in den Biografien hochrangiger Persönlichkeiten sehr häufig auch Gefährdungspotenziale verborgen. Wir haben also die Herkunft, den Werdegang, die politische Karriere und das private Umfeld der wichtigsten Regierungsvertreter durchleuchtet. Dabei sind wir auf eine Verbindung zwischen Sprock, Spread und« - jetzt machte er eine Pause - »dem russischen Präsidenten Semjonow gestoßen.«
Im Raum war es jetzt vollkommen still. Alle sahen auf Croy. Der berichtete nun ausführlich über die Ergebnisse der Recherchen in russischen Archiven. Dabei ließ er kein Detail aus.
»Wie viele Männer seiner Generation gehörte Semjonow in den Kriegsjahren der Roten Armee, gleichzeitig aber auch dem KGB an. Es war damals eine Ehre, seinem Vaterland im Krieg gegen die Deutschen an zwei Fronten zu dienen: beim Einsatz an der Front und als Aufklärer an einer unsichtbaren Front. Semjonow gehörte zu diesen Männern. Man zog ihn 1943 ein, als er gerade achtzehn war. Die Deutschen waren in verlustreiche Feldzüge in Russland verwickelt. Semjonow kam zu einem
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