Trias

Übrigens erfuhr Sprock als Unternehmer immer auch die Unterstützung hochrangiger Regierungsvertreter und deutscher Wirtschaftsbosse. Auch Stefan Rumpf soll nach Angaben von V-Mann Sydow den Weißen Rittern angehört haben.« Storm machte eine Pause. Dann fuhr er fort: »Sollten Sie also Sprock begegnen, sagen Sie ihm nicht als Erstes, dass Sie derjenige waren, der den Staatssekretär liquidieren ließ.«
    »Warum sollte ich? Sie wissen, dass Ihr Exkollege Hilpert den Auftrag vom BND bekam. Ich bin nur ein Part des Spiels.«
    So lief es in diesem Geschäft nicht selten, dachte Storm. Am Ende eines Dramas mit tödlichem Ausgang wollten alle Beteiligten höchstens Statisten, aber niemals Hauptdarsteller gewesen sein.
    »Wissen Sie denn, wie Paul Graf von Sprock vorgehen wird? Es gibt perfektere Orte für einen Mord als das bestgesicherte Meeting der Welt.« Kong hatte dessen Namen jetzt so genießerisch ausgesprochen, als kaue er dabei auf Gold.
    »Sprock ist Chemiker und Besitzer einer Düngemittelfabrik. Über einen amerikanischen General, der selbst Mitglied der US-Sektion der Weißen Ritter ist, bezog er vor zwei Jahren auf äußerst verschlungenen Wegen ein Paket mit fünf Giftgasgranaten aus amerikanischen Militärbeständen.«
    »Fabelhaft«, murmelte Kong. »Und er schießt sie einfach in die Menge, oder wie?«
    »Das soll Sprock selbst erklären.«
    »Die Granaten sind nie vermisst worden?«
    »Nein. So, wie der Y3-Sprengstoff in Semtin nach Beitritt Tschechiens zur NATO abgeschrieben und damit offiziell nicht mehr vorhanden war. Es ist ja leider verloren gegangen …« Storm sah ihn prüfend an.
    Der Spionagechef überspielte schnell seine Pleitegefühle, die immer noch in ihm rumorten wie verdorbener Fisch. Er fächerte sich Luft zu, fragte: »Um welche Spezies Giftgas handelt es sich?«
    »Um Lost , ein Senfgas, entwickelt von den beiden deutschen Chemikern Lommel und Steinberg, das bereits im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurde. Verätzt die Lungen und löst die Schleimhäute in der Luftröhre ab. Schwere Atembeschwerden mit Erstickungsanfällen, blutigem oder flüssigem Ausfluss bis hin zum Tod sind die Folge. Das Gas wird als Aerosol versprüht, bleibt an der Kleidung haften und wird über die Haut oder über die Atemwege aufgenommen.«
    »Eigentlich ein widerliches Zeug«, sagte Kong dennoch achtungsvoll, »aber hocheffektiv. Woher stammen die Granaten?«
    »Sie gehörten zum Bestand einer kleineren amerikanischen Militärbasis in der Osttürkei. Vor nicht ganz fünf Jahren sind sie aussortiert und in ein Zwischenlager in Arizona transportiert worden.«
    »Wo sie noch heute lagern?«
    »Ja, bis auf die fehlenden fünf, die jetzt wahrscheinlich mit Sprock in Marienstrand sind.«
    Kong grinste breit. »Diese Menge reicht allemal aus, um sämtliche Teilnehmer des G8-Gipfels einschließlich Medienvertretern, Sicherheitsleuten, Köchen, Kellnern und sonstigem Bedienpersonal zu vergiften oder gar zu töten.«
    Storm ließ Kongs Bemerkung unkommentiert. Er hatte sich schon vor etlicher Zeit einen Jasmintee bestellt und nippte jetzt zum ersten Mal an dem mittlerweile kalten Getränk. Durch die Tür des chinesischen Schnellrestaurants pfiff kalter Wind. Kong sah hinüber zu dem Tresenmann. Der polierte ganz versonnen Gläser.
    »Und Sprock ist wirklich einverstanden?«
    Storm bejahte.
    »Einem Neonazi Asyl gewähren? Hm. Aber für eine gute Sache soll man auch mit seinem Feind schlafen. Allerdings hätte ich mit ihm einen Mitwisser mehr.«
    »Sie könnten ihn nach der Operation auch erledigen«, sagte Storm kalt. »Bei Nazis hält sich mein Mitleid in Grenzen.«
    Kong sah ihn durchdringend an. »Schöner Vorschlag und der nächste Auftrag für Sie, Mister Storm. Ich benutze den Mann, und Sie bringen ihn um. Sie tun etwas für Ihr Gewissen, und ich schütze mein Land.«
    Storm, dem dieser Vorschlag überhaupt nicht gefiel, ließ sich seinen Unwillen gar nicht erst anmerken. Er brauchte Geld. »Das kostet Sie aber ein bisschen mehr als das monatliche Salär, das Sie zahlen.«
    »Wie viel?«, fragte Kong unbeeindruckt.
    »Fünfzehntausend Euro, in bar«, sagte Storm.
    »Ich gebe Ihnen zwanzigtausend«, erwiderte Kong.
    »Eine erste Anzahlung noch heute Abend«, verlangte Storm.
    »Gut. Die Chinese National Bank befindet sich im Zentrum, beinahe neben dem Hotel. Wenn Sie mich begleiten wollen …«
    Während Storm die Rechnung beglich, rückte sich Kong die falschen Haare und den Kunstbusen zurecht.
     
    Unterwegs in