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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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seines perplexen Gegenübers.
    »Wer sind Sie, Sydow?«, fragte er. »Warum vertraut Ihnen das BKA?« Er wäre nicht der erste V-Mann, der in der Nazi-Szene Informationen einsammelte und sie meistbietend an Interessenten weiterverhökerte. Sogar an die Ausgespähten selbst, um deren Vertrauen zu festigen.
    Sydow sah ihn kalt und schweigend an. Dass ihn das Bundeskriminalamt aus irgendeinem wichtigen Grunde dringend sprechen wollte, hatte ihn anfangs erschreckt. Zu vital waren noch immer die Erinnerungen an die Jagd der Behörde auf ihn und seine Gruppe.
    »Ein Mann namens Kaltenborn sagte mir am Telefon, dass er meine Kenntnisse braucht. Er meinte, es ginge um Leben und Tod, und fügte noch an, dass er wisse, wovon er rede. Und dass ich unserem Land damit einen großen Dienst erweisen würde.« Sydows Gesicht war blass.
    »Hat er das gesagt, ja?« Croy wunderte sich. Großer Dienst fürs Land. Der Lieblingssatz aller Sicherheitsbehörden, wenn es um die Verhinderung oder Ausspähung einer möglichen Gefährdung durch Dritte ging. Er hielt ihn für eine Phrase. Warum sagte ausgerechnet Kaltenborn solche Worte?
    Sydow spürte jeden Atemzug, den Croy machte. Die Augen des Ermittlers waren jetzt zwei leuchtend blaue Kugeln aus Stahl. Der V-Mann ging in die Offensive. Er fragte in schneidendem Ton zurück: »Es liegt was in der Luft, nicht wahr? Etwas, wofür ihr einen Verbindungsmann braucht, der exzellente Kontakte zur rechtsextremen Szene hat. Nur deshalb bin ich hier.«
    Croy lockerte seinen Griff etwas. Er blieb dennoch auf Tuchfühlung mit ihm. Der Mann erschien ihm eine Spur zu dreist.
    »Was sagen Ihnen die Weißen Ritter?«
    Sydow tat, als denke er scharf nach. »Ein clever strukturiertes, ultrarechts gerichtetes Netzwerk«, sagte er schließlich. »Ließen vor zwei Jahren in einem anonymen Internet-Blog verlauten, dass sie sich aufgelöst hätten. In der Tat gab es seit diesem Zeitpunkt keine Aktionen mehr, die im Namen der Weißen Ritter geschahen. Allerdings tauchte bei Neonazi-Demonstrationen, Gedenkveranstaltungen für ehemalige Wehrmachtsgrößen oder auf Internetpamphleten immer wieder der Name einer ihrer geistigen Führer auf: Graf Paul von Sprock.«
    Croy sah Sydow noch einmal durchdringend an, dann gab er dessen Hand frei. Während der V-Mann an ihr herumrieb, wechselte Croy seine Beinstellung. Dieser falsche und pathetische Patriotismus, dieses völkische und nationalistische Wortgeklingel - all das spülte in dem Sonderermittler einen gallebitteren Geschmack hoch.
    Der V-Mann sagte, noch etwas gestresst: »Wir sind ihm seit langem auf den Fersen, aber können ihm keine direkten Tatbeteiligungen, beispielsweise an Ausschreitungen, nachweisen. Sprock ist seit Jahren der Ideengeber einer immer stärker werdenden nationalkonservativen Sammelbewegung, die sich von Deutschland über Westeuropa nach Russland bis zum asiatischen Raum vorgearbeitet hat.«
    »Wer ist wir ?«
    »Ich arbeite für den Kölner Verfassungsschutz. Mein Standort ist Berlin.«
    Croy nickte leicht und blieb misstrauisch. Er langte in seine Tasche und zog den Erpresserbrief heraus. »Lesen Sie ihn.«
    Sydows Augen rannten über das Blatt und kommentierten den Inhalt mit ungläubigem Staunen. Dann sagte er: »Brandgefährlicher Mann.«
    Croy sah ihn entgeistert an. »Mehr haben Sie mir nicht zu sagen?«
    Sydow fröstelte. »Sprock tut hier so, als sei das Gipfeltreffen eine Art spätkapitalistische Weltverschwörung. Er glaubt, sein Angriff werde die Welt vor dem Untergang bewahren. Deshalb diese dreisten Drohungen. Geldgierig scheint er obendrein zu sein …«
    »Er will Giftgas einsetzen, wenn wir seine Forderungen nicht erfüllen«, kollerte Croy in seine Richtung.
    Sydow gab sich entsetzt. » Was will er?«
    »Sie haben richtig gehört. Trauen Sie ihm das zu?« Sydow sah jetzt nachdenklich aus.
    »Sprock sieht sich als eine Art Führer, und wozu Führer fähig sind, wissen wir nicht nur von Hitler und Saddam.«
    »Können Sie sich erklären, warum Sprock nicht schon früher verhaftet worden ist? Eine Anzeige wegen Volksverhetzung hätte genügt.«
    »Weil er von niemandem angezeigt worden ist. Wo kein Kläger, da kein Richter.«
    »Und was ist mit Ihnen, Sydow? Warum haben Sie all die Jahre gezögert, Ihr Wissen über Sprock an die Staatsanwaltschaft weiterzugeben?«
    Sydow strich mit den Händen beinahe liebevoll über die alte Rinde eines Buchenbaumes. Croy blickte dabei auf Sydows Profil. Er sah auffallend lange, beinahe feminin

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