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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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wirkende Wimpern, eine Ausbeulung wie von einer genähten Fleischwunde oberhalb seines Wangenknochens und eine feine Narbe, die von seinem rechten Ohr bis zum Mundwinkel verlief. Die Kaumuskeln des V-Mannes arbeiteten. Zögernd sagte er: »Es hat vielleicht etwas mit meiner Erziehung und meiner eigenen Vergangenheit zu tun. Ich bin unter Nationalsozialisten aufgewachsen. Mein Großvater war Studienrat, mein Vater Mitbegründer der Deutschen Volksunion. Ich selbst stand jahrelang an der Spitze der Wikingjugend, war im engsten Zirkel der Wehrsportgruppe Hoffmann. Sprock ist vermutlich ein Schwein, das stimmt. Aber er hat selbst nie jemanden angegriffen, geschweige denn verletzt …«
    Croy dröhnten die Ohren. »Wo liegen seine Schwachstellen? Wo kriegen wir ihn zu packen?«
    »Darf ich Ihnen zunächst eine Gegenfrage stellen?«
    Croy brummte irgendwas.
    »Was wissen Sie bisher über Sprock?«
    Croy sagte es ihm.
    »Wussten Sie auch, dass sich Spread, er und Rumpf aus Kindertagen kannten?«
    Croys Augenbrauen schnellten empor. »Wir glaubten bisher, dass es nur das Freundschaftsduo Heinrich Franzen und Maximilian von Sprock gab.«
    »Es waren vier«, sagte Sydow.
    »Wie bitte?«
    »Maximilian Graf von Sprock, Heinrich Franzen, Ludwig Rumpf und mein Großvater. Friedrich Sydow. Alle vier waren Mitglieder der Waffen-SS. Ihre Dienstgrade reichten vom Hauptscharführer bis zum Obersturmführer. Goebbels kannte die Männer aus dem Umfeld Himmlers, dem Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern.«
    Sydow sah an Croy vorbei auf das völlig lichtlose evangelische Münster, das mit seinen beiden unterschiedlich hohen Türmen, dem ausladenden Hauptschiff und den später angesetzten Nebengelassen wie das Modell eines unentschlossenen Architekten wirkte. Ihn durchströmte etwas Warmes. Gleichzeitig fror er immer stärker. Und das lag nicht nur an den niedrigen Temperaturen.
    »Wir waren übrigens auch überrascht, als wir auf Rumpfs Nähe zu rechtsextremen Gruppen stießen«, sagte Sydow weiter.
    »Seit wann wussten Sie über dessen akzentuierte Freizeitinteressen Bescheid?«, fragte Croy. Ihm wirbelten die gehörten Informationen ungeordnet im Kopf herum.
    »Seit ich den Tipp bekam, dass die Bundesregierung ein ganz großes Ding plant und dafür Thomas Gordon Spread beschäftigte.«
    »Und warum schwiegen Sie?«
    Sydow antwortete ungehalten. »Rumpf war einundsechzig, ein vertrauenswürdiger Beamter im Auswärtigen Amt. Ihm blieben nur noch vier Jahre bis zu seinem Ruhestand. Ich glaube, man sollte Rücksicht auf seine Verdienste nehmen.«
    Croy stießen die Worte Sydows bitter auf. Aber es war nicht der Zeitpunkt darüber zu streiten, was schwerer wog: eine staatsfeindliche Gesinnung oder Verdienste fürs Vaterland.
    »Wissen Sie, wo sich Sprock aufhält?«
    »Ich könnte mir vorstellen, dass er hier ganz in der Nähe ist. Quasi vor unseren und den Tausenden Augen der Sicherheitsbeamten. Kommen Sie«, sagte Sydow jetzt leichthin, »verlassen wir diesen feuchten Ort und wärmen uns irgendwo auf. Ich möchte Ihnen etwas über ein Haus namens Morgenrot erzählen. Doch vorher brauche ich einen Drink und einen Happen zu essen.«
    Auch Croys Mund war über das Gespräch trocken geworden. Und Hunger hatte er schon den ganzen Tag. Doch ihm lief die Zeit davon, und er spürte es. Schweigend machten sie sich auf den Weg zurück in das Zentrum des Städtchens. Weithin sichtbar hatten sich die Abwehreinheiten aus Polizei und Militär auf den Plätzen und Straßen mit ihrer rollenden Technik breit gemacht. Die Bundeskanzlerin und ihre Gäste, das wusste Croy, würden spätestens morgen hier eintreffen. Der Countdown war längst zum Showdown geworden.
     
    In der Abendbeleuchtung war der Vorgarten des Bad Doberaner Lokals Kamp ein reizendes Fleckchen. Der gelbe Kegel einer Laterne fiel auf einen kräftigen Eibenbusch mit blauen Beeren, der wie ein Wächter vor den Vorderfenstern der kleinen Pension stand. Um ihn herum bildeten Farne und üppig dicke Moospolster einen runden Teppich. Zwei Spatzen saßen auf den feinen Spitzen der Eibe und schwangen im Küstenwind leise mit.
    Durch die vorderen Scheiben des Lokals war zu erkennen, wie Markus Croy auf ein Gegenüber einredete, das nicht zu sehen war. Innen war es stickig und heiß, das Holz im Kamin war bereits gut durchgebrannt. Aus der Küche wehten die Takte seichter Popmusik in den Gastraum hinein. Der Tisch neben den beiden Männern war unbesetzt.
    Croy

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