Trias
›Eine Radarfalle.‹ Danach brach die Sprachaufzeichnung ab.« Kaltenborn raschelte mit seinen Papieren. Seine Zuhörer blickten ihn gespannt an.
»Mal abgesehen von den verheerenden Folgen für die Verunglückten, konstatieren wir eine alarmierende Unruhe in den Stabsdienststellen der ausländischen Dienste, die sich mit der Vorbereitung des G8-Gipfels beschäftigen. Vor allem beim amerikanischen Secret Service liegen offenbar die Nerven blank.«
Kaltenborn machte erneut eine Pause und atmete durch. »Man spricht bereits von einer Verschiebung des Gipfels in ein anderes Land«, fuhr er fort. »Das müssen wir, und das sage ich jetzt mit aller gebotenen Zurückhaltung, in jedem Fall verhindern. Wenn wir dies zuließen, gäben wir, ohne es zu wollen, Schwächen zu, die in Wirklichkeit aber gar nicht existieren.« Er lächelte dünn und presste dabei die Lippen aufeinander. »Lassen Sie mich zu dem Attentat zurückkehren … Zum bisherigen Auswertungsstand ist Folgendes zu sagen: Als Explosionskörper wurde eine Blitzertonne benutzt, die man eigentlich nur im sicheren Bestand der Verkehrspolizei vermuten würde. Als Auslöser der Explosion wurde wiederum eine Art Schnur verwendet, die sowohl bei uns als auch in der früheren DDR und in einigen Ländern der früheren Warschauer-Pakt-Staaten bis vor rund zwanzig Jahren als Kontaktschleife in Gebrauch war. Mit ihr maß man die Geschwindigkeit darüberrollender Reifen. Ein perfektes System, das für den Anschlag allerdings modifiziert wurde. Die Kamera in der Blitzertonne reagierte zunächst auf das Nummernschild, worauf die Kontaktschleife blitzschnell die Explosion auslöste. Die Attentäter mussten auf diese Weise nicht selbst vor Ort sein.« Kaltenborn holte Luft. »Sie sind also auf Nummer sicher gegangen. Spurenleser fanden nahe der Unglücksstelle nicht nur Reste dieser speziellen Schnüre, sie entdeckten auch ein Stückchen Papier, ähnlich der Banderole einer Zigarettenpackung. Unser Labor ist dabei herauszufinden, um welche Zigarettenmarke es sich handelt …«
»Und wenn die Packung von einem Grenzgänger stammt?«, unterbrach ihn Sachsens LKA-Chef Schafgerber abrupt, doch Kaltenborn überhörte die Bemerkung und fuhr fort.
»Bei der Analyse der Sprengstoffspuren stießen wir - und das überraschte uns nicht - auf Y3 aus tschechischer Produktion. Wir nehmen an, dass etwa 150 Kilogramm hochgejagt wurden. Eine ausreichende Menge Plastiksprengstoff, um einen vorbeifahrenden Doppelstockbus zu zerlegen …«
Kaltenborn sah über die Ränder seiner Lesebrille auf einen imaginären Punkt an der rohen Betonwand des Raumes. Dann kehrte er zu seinen Aufzeichnungen zurück.
»Interessanterweise findet heute C4-Sprengstoff und nicht das in die Jahre gekommene, aber nicht weniger gefährliche Y3 Verwendung. Diese spezielle Form des Semtex muss aus Altbeständen der tschechischen Armee oder aus Lagerbeständen der tschechischen Firma Explosia in Semtin selbst stammen. Y3 ist weder nach den NATO-Richtlinien ausreichend zertifiziert noch mit den heute gültigen metallischen Markierungen versehen.« Wieder schob der BKA-Vize eine Atempause ein.
»Im Zuge unserer Ermittlungen bei mehreren Feinoptik-Firmen stießen wir auf die thüringische Klaroptik GmbH , bei der sich ein Mann mit einem stark tschechisch gefärbten Akzent vor etwa zwei Monaten bei der Presseabteilung telefonisch als Mitarbeiter des Prager Verkehrsministeriums vorgestellt hatte. Er wollte wissen, ob Klaroptik noch immer Laserkameras für polizeiliche Geschwindigkeitskontrollen produziere. Man verwies ihn an die Firma Kinetics in Köln-Pulheim, eine Tochter von Klaroptik , die das Monopol auf die Blitzertonnen besitzt. Wir haben in Pulheim recherchiert. Dort wurde kein Auftrag nach Görlitz vergeben.« Kaltenborn erhob jetzt seine Stimme: »Wie Sie sehen, kann es sich durchaus um Täter aus Osteuropa handeln.« Mit Sarkasmus in der Stimme fügte er an: »Wir haben also nichts weiter zu tun, als Informationen zu sammeln und in den Hirnen der Täter nachzulesen, woher sie kommen, was ihre Motive sind und wie sie …«, er holte tief Luft, »an diese verdammte technische Polizeiausrüstung gelangt sind.« Grimmig blickte er auf das Pult. Dann fuhr er, wieder etwas ruhiger, in seiner Rede fort. »Der Generalbundesanwalt hat uns soeben die Ermittlungen übertragen. Kriminalkommissar Markus Croy wird als Sonderermittler, neudeutsch Undercover-Agent, die Untersuchungen mit mir gemeinsam leiten und offen oder
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