Trias
auf.
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Moskauer Kreml, Präsidialamt, 18. November, am Tag
Die Russen hatten keine Eile, den Tod ihres ehemaligen stellvertretenden Außenministers aufzuklären. Die Gründe dafür lagen vor allem in der nebulösen Nachrichtenlage. Die Bundesagentur für Sicherheit der Russischen Förderation , FSB, hatte die Ermittlungen übernommen. In nüchternen Worten teilten Ermittler der KGB-Nachfolgeorganisation mit, dass man an Motiv und Tathergang »intensiv« arbeite.
Seit Präsident Sergej Iwanowitsch Semjonow mit der deutschen Bundeskanzlerin telefoniert hatte, waren ein paar Tage vergangen. Das Rachemotiv enttäuschter Osteuropäer war in Deutschland auf fruchtbaren Boden gefallen; für die Aufklärung des Mordes an Kirijenko taugte dieses Konstrukt jedoch nicht. Semjonow und seinen Beamten erschienen Spuren, die nach Sibirien führten, weitaus passender. Bei zwei Verhören in Omsk erfuhren die FSB-Ermittler von den handfesten Drohungen, die Grischenko und seine Aktivisten von der Sibirien-Kommission gegen Moskau ausgestoßen hatten. Die Agenten dehnten daraufhin ihre Ermittlungen auch auf Widerstandsgruppen in Westsibirien und der ostsibirischen Erdölinsel Sachalin aus. Im Präsidialamt vernahm man nicht ohne Sympathie, dass Grischenkos Leute und andere Aktivisten nun endlich begründet im Fokus des FSB standen.
Präsident Semjonow gab die Order aus, dass er die Ermittlungen über terroristische Umtriebe mit respektvoller Ruhe abwarten wolle. Unter keinen Umständen war er bereit, Kirijenkos Rolle bei den Trias-Verhandlungen preiszugeben. Die Gefahr war zu groß, dass irgendein schlauer Ermittler Querverbindungen zwischen Trias und dem Tod Kirijenkos ziehen würde. Nach Semjonows Überzeugung könnte auch nur der leiseste Verdacht das bedeutendste Nachkriegsgeschäft Russlands zunichte machen.
Sibirische Terroristen . Zwei Worte mit fettem Klang, dachte Semjonow. Er griff zum Hörer und ließ sich mit seinem Vertrauten verbinden, dem FSB-Chef Archaimow. Mit ihm hatte er schon zusammengearbeitet, als beide noch im Berliner Stadtteil Karlshorst die KGB-Residentur betrieben hatten. Vielleicht ließ sich ja ein Zusammenhang zwischen dem Tod Kirijenkos und militanten Gegnern der Rohstofferschließung herstellen?
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Berlin-Treptow, BKA-Zentrale, gleicher Tag, 09:05 Uhr, Ortszeit
Die Spannung in Raum 5150, intern das Mausoleum genannt, war für jeden an diesem Morgen spürbar. Ungestrichene Betonwände, glatter Betonfußboden, ein Quadrat aus Holzplatten mit Metallfüßen und sieben verchromte Lederstühle: Eisiger konnte ein Raum kaum wirken. Den abweisenden Eindruck verstärkte ein bullaugenähnliches Fenster in der Decke, das gerade einmal so viel Licht hereinließ, dass man sich nicht ganz wie in einem Sarg fühlte. Doch der Raum war vollkommen abhörsicher und nur mit Panzerfäusten zu durchdringen.
Im Mausoleum fanden Besprechungen statt, die unter dem Signum Strenge Geheimhaltung liefen.
Kaltenborn hatte eine Zusammenfassung der momentanen Lage vorbereitet.
»Meine Herren«, sagte er von seinem Platz aus zu seinen Gästen, »fangen wir an.«
Markus Croy traf nicht zum ersten Mal auf die Vertreter des Bundesnachrichtendienstes, des Bundesamts für Verfassungsschutz, der Bundespolizei und des Landeskriminalamts in Sachsen. Er fixierte die fünf Gesichter neben sich, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Er sah Hochmut und Arroganz, Humor und Misanthropie, kalte und weniger kalte Augen. Waren dies die Abdrücke, die der Umgang mit Straftaten und Gewaltverbrechen, mit Opfern und Tätern unweigerlich hinterließ? Noch wirkte Markus Croy wie ein Novize unter alten Brüdern.
»Wie Sie vielleicht wissen«, sagte Kaltenborn mit einer gewissen Schärfe in der Stimme und kam damit gleich zur Sache, »rüsten wir im Zuge der Terrorprävention die Dienstwagen von Ministern und Staatssekretären mit der gleichen Blackbox aus, die auch in Flugzeugen verwendet wird. Diese Geräte zeichnen nicht nur die Gespräche der Insassen während der Fahrt auf, sondern sind auch mit einer winzigen Kamera verbunden, die wir neben die Abstandswarner im Frontteil des Wagens eingebaut haben. Wir haben diese Blackbox im Straßengraben gefunden. Sie ist zwar lädiert, hat aber, im Gegensatz zu den Insassen, sozusagen überlebt. Der Wagen hatte zum Zeitpunkt der Zündung der Bombe eine Geschwindigkeit von 81 Stundenkilometern auf dem digitalen Tachometer. Rumpfs persönlicher Referent hatte das letzte Wort mit der Bemerkung:
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