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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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und nicht verschlossen.
    Von der Straße her näherte sich ein fünfköpfiger Trupp Männer, die in schwarzen Kampfanzügen und Stiefeln steckten und Helme auf dem Kopf trugen. Sie hatten Kalaschnikows umgeschnallt, die sie jetzt, als sie vom Haus der Sibirien-Kommission nur noch wenige Meter entfernt waren, von den Schultern in die Hände nahmen. Man hörte das metallische Klicken eines entsicherten Verschlusses. Ihr Anführer hatte eine schwarze Tasche geschultert, die er nun öffnete. Er verteilte an die vier anderen jeweils zwei elliptisch geformte Waffen, die etwa handtellergroß waren. Dann zog er eine paketgroße, in sich zusammengeschobene Leiter aus der Tasche. Er machte eine Handbewegung. »Dawai, dawai«, flüsterte er.
    Außer ihnen war auf der Straße kein Mensch zu sehen. Laternen warfen ein diffuses Dämmerlicht. Die Schatten der Männer sahen bedrohlich aus.
    Am Haus angelangt, zogen sie die Leiter vorsichtig aus und lehnten sie geräuschlos an eines der vier Fenster im ersten Stockwerk. Zwei der Granaten landeten im ersten Zimmer, die beiden anderen im Raum daneben. Sobald sie auf den Zimmerböden aufschlugen, setzten sie Tränengas frei. Die Männer trugen jetzt Gasmasken und glitten nacheinander über die Leiter in den ersten Raum. Sie zerrten die benommenen Männer aus ihren Betten, schleiften sie in ihren Schlafanzügen in den Flur, fesselten sie mit Handschellen und ließen sie liegen, wo sie waren.
    Sie röchelten und husteten, kamen aber langsam wieder zu sich.
    Grischenko hatte sich als Erster unter Kontrolle.
    »Was soll das? Was wollen Sie von uns?« Seine Stimme war gezeichnet von der Wucht des Überfalls.
    Der Kommandoführer antwortete harsch: »Sie sind verhaftet wegen Bildung einer terroristischen Zelle und schwerer Sabotage zum Nachteil der russischen Volkswirtschaft.«
    »Was sollen wir denn getan haben?«, entgegnete Grischenko erregt. Er bekam einen erneuten Hustenanfall.
    »Sie haben den Auftrag erteilt, ein Flüssiggasterminal in die Luft zu sprengen.«
    »Warum sollte ich so etwas tun?«, fragte Grischenko feindselig. »Ich bin Naturschützer, kein Naturzerstörer.«
    »Das können Sie dem Staatsanwalt erzählen. Man fand am Tatort eine Mütze mit Ihren Initialen als Beweisstück, das Ihre Gruppe überführen wird. Und nun halten Sie Ihr dreckiges Maul.« Vor dem Haus hielt ein länglicher Transporter der russischen Marke UAZ . Seine Fenster waren vergittert. Für Grischenko und seine Männer hieß das Ziel Untersuchungshaft in Moskau.

16
    Berlin-Mitte, gleicher Tag, 09:00 Uhr Ortszeit,
    Obwohl das Nikolaiviertel hinter dem Berliner Alexanderplatz vermutlich das von den Touristen meistbesuchte Quartier im Osten Berlins ist, war es an diesem Morgen noch merkwürdig ruhig hier. Vielleicht lag es an dem scheußlichen Wind, der feinen Nieselregen durch die engen Straßen trieb. Vielleicht lag es aber auch an den Öffnungszeiten der Restaurants. Keines machte vor elf Uhr auf.
    Das Viertel war ein Überrest aus der ältesten Geschichte Berlins. Hier mischten sich DDR-Architektur mit Fachwerkhäusern, Straßen und Plätze waren mit originalgetreuen Pflasterungen versehen. Das Quartier war nach wie vor eines der städtischen Lockmittel für Touristen, denen man in mehr oder weniger oberflächlichen Prospekten die »echte« Wiege Berlins verhieß. Zu Zeiten des Kalten Krieges war das Nikolaiviertel am Alexanderplatz für Agenten westlicher Dienste ein Tummelplatz. Sie hatten Mauervorsprünge der Nikolaikirche als tote Briefkästen genutzt, in denen sie Informationen in Kassibern hinterlassen oder empfangen hatten.
    Markus Croy sah verdrießlich durch die Scheiben des Taxis, das ihn zur Adresse »Spreeufer 2« gebracht hatte. Er zahlte, stieg aus und blickte sich um. Er schmeckte den Regen, der in der Luft lag, dieses spezielle Gemisch von kalter Nässe und feuchter, schwerer Luft. Er hasste dieses Wetter, denn die Tropfen waren so klein, dass sie ihm zwischen Schal und Hals rannen und den Morgen verdarben. Er sah auf die weitläufigen Gebäude des Auswärtigen Amtes, in dessen hinterem Teil vormals das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands von 1945 an bis zum Mauerfall residiert hatte.
    Croys Blick fiel auf eine schlank gebaute, pechschwarz lackierte Quicksilver Commander , die am unteren Ende einer Steintreppe an der Kaimauer angebunden war und im Wasser auf und nieder tänzelte. Das zweisitzige Boot war leer und vom Niesel durchnässt. Ihn fröstelte bei dem

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