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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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Gedanken daran, bei diesem Wetter auf dem Fluss unterwegs zu sein.
    Den schmutziggrauen Golf auf der anderen Uferseite bemerkte er nicht. Durch ein Fernglas beobachtete ein Mann Croy, wie dieser gerade auf einen Klingelknopf drückte.
    Keine Reaktion. Croy drückte erneut die Klingel, unter der das Kürzel M.S. stand.
    »Hallo?«, schallte schließlich eine tiefe Männerstimme aus der Klingelanlage. »Wer ist da?«
    »Besuch vom Neffen«, sagte Croy verschwörerisch leise.
    »Ah! Bleiben Sie, wo Sie sind«, tönte es aus dem Lautsprecher, »ich komme hinunter.«
    Croy schlug den Mantelkragen hoch und sehnte sich nach heißem Tee mit Brandy, der die Bitternis des Wetters einfach wegschwemmen würde. Das kleine Boot schaukelte heftig in den Wellen der Spree, die mal stärker und mal schwächer gegen die Kaimauer schlugen.
    Als plötzlich ein Mann seitlich vor ihn trat, zuckte er kurz zusammen. Dann sagte er: »Spanien ist ein schönes Land.«
    »Da sind viele gestorben«, erwiderte sein Gegenüber.
    »Okay, wohin gehen wir?« Der Mann musterte Croy mit wachen blauen Augen, die trotz seines Alters noch überraschend jung wirkten. Sein Haar war an den Schläfen zwar grau, aber ohne kahle Stellen und kaum länger als einen Zentimeter. Er trug einen schwarzen, hochgeschlossenen Mantel und derbe, halbhohe Stiefel. Er gab Croy die Hand.
    »Michael Storm.«
    Der Ermittler bemerkte einen goldenen Siegelring mit einem Drachenkopf. Storms Parfum, ein Geruch von Thymian und frischer Minze, wehte zu ihm herüber. Was Kaltenborn an dem Mann sympathisch findet?, fragte sich Croy.
    »Kommen Sie, fahren wir Boot«, sagte Storm. »Wir bleiben allein, und es macht uns wach.«
    Die teure Barke pendelte heftig, als die beiden Männer über die Stufen der Steintreppen auf ihre Plastikplanken traten. Croy dachte an sein Frühstück, das er wahrscheinlich noch nicht verdaut hatte.
    Storm fingerte den Zündschlüssel aus der Manteltasche, setzte sich ein schwarzes Barett auf den Kopf und sagte: »Ich hoffe, Sie haben einen Hut dabei.« Ohne eine Antwort abzuwarten, startete er den Außenborder und wies Croy an, das schmale Tau zu lösen. Dann gab er ein bisschen zu viel Gas. Croy wankte zurück. Sein Magen bäumte sich leicht auf.
    Der Mann am Steuer des grauen Golfs hieb verärgert auf sein Lenkrad. Es gab hier nur Gehwege entlang des Spreekanals. Storm wusste, was er tat.
    Croy hielt die Erklärungen über neu errichtete, angeblich avantgardistische Architekturperlen des neuen Berlin nicht lange aus.
    »Ja, ich weiß, dass dieses Hotel ein riesiges Aquarium hat, an dem jedermann in einem Glaslift vorbeifahren kann.«
    »Warum so gereizt?«, fragte Storm und gab dann unbeirrt weiter den Berlinführer. »Dort vorne haben wir endlich die Museumsinsel fertig gestellt. Hat lange gedauert und viele Millionen gekostet.«
    Wahrscheinlich wusste Storm noch nicht, dass Croy und er Landsleute waren, dachte der Ermittler. Wieder machte das Boot einen Satz nach vorn. Storm liebte es, abrupt am Gashebel zu ziehen.
    Croy lächelte gequält. »Hören Sie«, sagte er mit einer gewissen Schärfe in der Stimme, »ich bin nicht zu meinem Vergnügen hier. Wir haben die intern höchste Alarmstufe, weil Terroristen einen Staatssekretär mitsamt seinem Referenten, dem Fahrer und Auto weggesprengt haben. Ich habe gerade nicht den Nerv für eine Stadtbesichtigung. Die Indizien sprechen dafür, dass zumindest ein ehemaliger DDR-Bürger daran beteiligt war.«
    Er besah Storms Profil und bemerkte ein Zucken unter dessen linkem Augenlid.
    Croy legte in seine Stimme jetzt eine Spur Dramatik. »Während wir hier auf der Spree herumtreiben, planen Unbekannte vielleicht schon ein nächstes Attentat. Wir müssen besprechen, was Sie davon halten, und zwar jetzt.«
    Storm ließ ihn reden, dann drehte er sein Gesicht zu Croy und sagte mit ruhiger Stimme: »Es hat aufgehört zu regnen. Haben Sie das bemerkt?«
    Tatsächlich war der Niesel mittlerweile in eine Art staubfeinen Wassernebel übergegangen, der wie die Luft in einer Waschküche war, in der es keine trockenen Plätze, sondern nur nasse Kleidung gab. Storm steuerte das Boot zu einer Anlegestelle kurz hinter dem Regierungsviertel von Berlin. Von ferne wehte das Sirenengeheul mehrerer Polizeiwagen zu ihnen heran. Schon war auch die Spitze eines Demonstrationszuges und seines Anführers zu sehen. Er hielt ein Schild weit über seinem Kopf, auf dem der trotzige Schriftzug ROK zu lesen war.
    »Kommen Sie«, sagte er,

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