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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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fummelte währenddessen sein Zigarettenetui aus dem Jackett.
    Wieder schweifte sein Blick aus dem Fenster. Urplötzlich hatte sich der Himmel verdunkelt. Croy holte ihn in die Realität zurück.
    »Mir geht die Frau von Rumpf nicht aus dem Kopf«, sagte er. »Was weiß sie, und wie gefährdet ist sie?«
    Kaltenborn dachte gerade über das Wort Regenfront nach. »Ich glaube nicht, dass sie jetzt unseren Schutz braucht. Wir reden morgen mit ihr. Sie ist bestimmt noch ganz durcheinander.«
    Croy nickte zweifelnd. Die Begegnung mit dem ehemaligen Stasi-Agenten Michel Storm in Berlin bereitete ihm Unbehagen. Er spürte, wie zerrissen er war, wenn er an seine Vergangenheit dachte. Einerseits wusste er, dass seine Herkunft ein Schatz war; andererseits stand Storm für eine Art Dunkelheit, die Croy nie wieder erleben wollte. Er scheute sich davor, mit dem Vertreter eines Staates in Berührung zu kommen, der mit seiner exzessiven Schnüffelarbeit das sozialistische Experiment DDR am Leben erhalten hatte. Doch Croy ahnte, dass er keine Wahl hatte. Sein Vorgesetzter würde sogar mit dem Teufel paktieren, wenn der sich benutzen ließe.
    Kaltenborn reichte ihm einen detaillierten Plan der Prager Innenstadt und beschrieb ihm ausführlich den Weg zum BKA-Verbindungsbüro und wie sie im Innern aufgebaut war.
    »Und hier«, schob ihm sein Chef einen etwas verwirrend gezeichneten Plan über den Tisch, »ist der Zugang von den Büroräumen zur Waffenkammer.«
    Croy grinste. »Die interessiert mich natürlich besonders.«
    »Das habe ich mir gedacht.«
    »Was werde ich dort finden?«
    »Alles, was Menschen beeindruckt, die nicht schneller schießen als Sie.«
    »Dann werde ich wohl gleich noch ein bisschen üben gehen.«
    »Aber zerlöchern Sie nur die Puppen für die Profis. Ihre Schießwut hat uns neulich eine ganze Batterie an Dummys für unsere Neulinge gekostet.«
    Croy erinnerte sich nur zu gut. Er hatte noch ein Magazin übrig gehabt und auch jene »Feinde« niedergemäht, die nur den Absolventen der Kriminalistikhochschulen vorbehalten waren. Puppen mit besonders großen Herzen und riesigen Köpfen aus Pappmaché.

14
    Ostsibirien, Insel Sachalin, Siedlung Jablochnyj, gleicher Tag, 21:30 Uhr Ortszeit
    Von dem Fischkutter mit dem roten Bug, der schon seit zwei Tagen in Höhe des Tartarensunds ankerte, nahm niemand Notiz. Das Boot schaukelte nicht mehr als 300 Meter von einer Bucht entfernt im Wasser, gehalten von zwei Ankern, unbeleuchtet.
    Vom Meer aus gesehen verdiente die Bucht die strapazierte Beschreibung »malerisch«; sie war umgeben von Felsen, weit nach hinten gezogenen Dünen und hatte einen breiten Sandstrand, von dem die Franzosen in Nizza nur träumen können. Doch aus der Nähe betrachtet, ragten verrostete Stahlgerippe ehemaliger Militärfahrzeuge aus dem Sand. Baumüll, Hausabfälle und zerborstene Betonpfeiler niemals fertig gestellter Gebäude zeichneten ein trauriges Bild des Verfalls. In der Luft lag eine eisige Nässe.
    Die Aktivisten um Oleg Grischenko bekamen von dem ankernden Boot nichts mit. Ihre Büros befanden sich im 6 000 Kilometer entfernten Omsk an der Westgrenze der riesigen Landmasse Sibiriens. Aber auch ihre Verbindungsleute, die Arbeiter der Flüssiggasterminals und die Einheimischen vor Ort, nahmen von dem Boot keine Notiz, denn hier galt die Fischerei nicht nur als Hobby.
    Zwei Männer und eine Frau hatten es sich auf dem Vorderdeck des etwa 17 Meter langen Kutters bequem gemacht. Eingehüllt in dicke Wattejacken, tranken sie schwarzen Tee aus einem Samowar und rauchten. Sie sprachen sehr leise miteinander. Unter ihren dunklen Wollmützen konnte man ihre Gesichter nur erahnen. Ihre Wangen leuchteten rötlich, und ihre Augen waren schon beinahe asiatisch. Einer stand jetzt auf, nahm eine kräftige Heringsangel zur Hand und warf sie ins Meer, doch sie war ohne Sehne, ohne Haken, ohne Lot.
    Langsam brach die Dämmerung herein. Von See waren die vielen Scheinwerfer des Flüssiggasterminals als leuchtende Punkte gut zu sehen. Ein voll beladenes Tankschiff mit der Beflaggung Japans legte träge ab.
    »Es ist die letzte Abfertigung für heute«, sagte einer der beiden Männer. Die Kälte machte seinen Atem weiß.
    Die anderen nickten stumm. Sie wussten, was jetzt zu tun war. Vorsichtig ließen sie ein Beiboot zu Wasser und warfen drei Taschen hinein. Der kräftigere der beiden Männer packte die Ruder. Der Fischkutter blieb unbemannt und gut verankert.
     
    Die Dämmerung war in eine Art Dunkelheit

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