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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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Meinen Eltern gegenüber war ich zu absolutem Stillschweigen verpflichtet, was mir keine Probleme bereitete, weil ich immer noch nicht darüber hinweggekommen war, dass sie mich über Nacht allein zurückgelassen hatten. Ich hatte eigentlich alles, was ich brauchte: einen gültigen Pass, die Legende eines aus dem Osten in den Westen gezogenen Kommunisten, einen gut bezahlten Job als Ingenieur und einen Auftraggeber, der von mir einmal im Monat einen detaillierten Bericht erwartete, was in unserer Forschungsabteilung ausgebrütet wurde.«
    »In welcher Abteilung waren Sie?«
    »Optoelektronik. Wir stellten Geräte für Satellitenvermessungen her, und Sie können sich vorstellen, dass man damit nicht nur die Landschaft vom Kosmos aus vermessen wollte.«
    »Also auch fürs Militär für die Ausspähung von Truppenübungsplätzen, Raketensilos oder Abschussrampen«, stellte Croy fest.
    »Da liegen Sie richtig. Meine Kontaktleute bekamen ihre Berichte über Kassiber, die ich im Café Adler in der Nähe des Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße in einem Schränkchen hinterließ, das hinter einer Plakatwand in der Mauer eingelassen war. Der Koch war ein Mann von uns und hatte als Einziger einen Schlüssel.« Storm hatte jetzt einen listigen Blick.
    »Welchen Nutzen hatte die DDR davon?«, fragte Croy.
    »Das meiste Material ging in die Sowjetunion«, erklärte Storm. »Carl Zeiss in Jena baute nach meinen Erkenntnissen die Optoelektronik in die russischen Satelliten ein, die ihrerseits die amerikanischen Basen in Europa ausspionierten.« Storm zog ein Feuerzeug aus seiner Manteltasche, doch er zündete sich die Zigarette nicht an. Wie in allen Kneipen Deutschlands herrschte auch hier ein staatlich verordnetes Rauchverbot.
    »Was heißt das? Sie zweifeln an der Verwendung des Materials?«, fragte Croy vielleicht eine Spur zu neugierig, denn Storm zog die Augenbrauen hoch, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah, anstatt zu antworten, mit Interesse auf die Risse in der Tischplatte.
    »Wissen Sie«, sagte er nach einer Weile, »für jeden Agenten der Auslandsaufklärung existierte heute wie damals ein spiegelgenau ausgebildeter Mitarbeiter. Erstens brauchte es jemanden, der die Wichtigkeit und die Brisanz des gelieferten Materials einschätzen konnte, und außerdem blieben die Jungs in Ostberlin ihren Agenten gegenüber misstrauisch. Als ich beispielsweise in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Mai 1977 las, dass man bei libanesischen Freischärlern Waffen gefunden habe, mit denen man auf weit reichende Entfernung zielgenau einen Menschen anvisieren könne, wusste ich, dass man dafür optoelektronische Bauteile verwendet hatte. Man peilte praktisch mit Okularen und einer Art Richtstrahl das Objekt an und vermaß damit die Entfernung. Heute kann man mit diesem Verfahren auf dichte und weite Entfernung sogar kleinste Details erkennen.«
    »Auch Nummernschilder von vorbeifahrenden Autos aus einer Blitzertonne heraus?«, fragte Croy und achtete dabei auf seine Stimme, damit sie nicht vibrierte.
    »Natürlich. Sind Sie noch nie geblitzt worden? Anders läuft es ja bei den Messungen auf den Autobahnen für die Erfassung der LKW-Maut auch nicht«, sagte Storm. Er beugte sich zu Croy hinüber und legte die Ellenbogen in die Mitte des Tisches. »Warum fragen Sie mich das?«
    Croy rückte genauso dicht an Storm heran und schnaubte. »Weil unser Staatssekretär nicht wegen seiner Geschwindigkeit, sondern wegen seines Nummernschildes in die Luft gejagt wurde.«
    »Soviel ich weiß«, erwiderte Storm unbeeindruckt, »wird diese Technik mittels Laser lediglich zur Mauterfassung verwendet.«
    Croy schüttelte unwirsch den Kopf. »Helfen Sie uns herauszufinden, welcher Spezialist diese Technik zur Tötung eines Politikers samt Entourage verwendet hat.«
    »Deshalb habe ich bei Kaltenborn angerufen«, sagte Storm kalt lächelnd. »Was springt eigentlich für mich dabei heraus?«
    »Wir ändern Ihre Rentenapanage. Die dürfte doch als ehemaliger Stasi-Offizier und Wirtschaftsspion immer noch nicht mehr als 400 Euro monatlich betragen, oder?«
    Storm zögerte kurz, dann sagte er: »Sie haben Recht. Der deutsche Staat übt eine Art der Rache an uns, die wirklich schmerzt. Aber ich habe Freunde, die mich immer noch mit dem Nötigsten versorgen. Wir ehemaligen Tschekisten müssen zusammenhalten, wissen Sie.«
    »Gehört dazu auch die Versorgung mit einer Quicksilver Commander und einer Wohnung in einem der teuersten Viertel an der

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