Trias
Anflugwind verursachte mächtige Vibrationen, das Flugzeug kippte leicht nach vorn. Croy umkrampfte die Serviette, knüllte sie zu einem Ball zusammen und drückte den Kopf gegen die Lehne des Sitzes. Seine Hände wurden feucht.
Aufgetürmte, nasse Wolken rempelten gegen die kleine Canadair , ihre Tragflächen zitterten. Als endlich die zuckenden Lichter der Landebahn zu sehen waren, schwebte die Maschine bereits dicht über dem Boden und setzte wenige Augenblicke später schlingernd auf.
Draußen herrschte ein schummriges Zwielicht. Noch in der Halle nahm Croy Fühlung auf. Wegen vereister Docks hatte die Maschine an einem anderen Gate als vorgesehen festgemacht. Verstohlen blickte er in seiner Umgebung auf hastige Reisende. Er bemerkte niemanden, der sich für ihn interessierte. Im Büro der tschechischen Flughafenpolizei besah sich der Beamte Croys Ausweis gründlich und mit eingefrorener Miene. Der BKA-Ermittler entnahm der Box des Kuriergepäcks seine 45er Sig Sauer und ließ sie in sein Holster gleiten. Sein privates Gepäck war mit einer anderen Maschine vorausgeflogen und wartete bereits in der Prager BKA-Residentur.
Vor der Halle hielt er nach einem hellgrauen Skoda Octavia Ausschau, den der BKA-Verbindungsmann Chris Becker zum Ankunftsgate der Destination Berlin-Prag geschickt hatte. Die riesigen Lichtfluter vor dem Flughafengebäude tauchten die Umgebung in ein kaltes, fahles Licht.
»Achten Sie auf einen Mann mit einer Ausgabe von Rude Pravo und sagen Sie: ›Ich lese die Rude Pravo nie!‹«, hatte Becker ihm mitteilen lassen.
Croy machte sich auf den Weg, hielt sich dabei dicht am Gebäude, das sich, von Säulen gestützt, in einem Halbrund um den davorliegenden Parkplatz erstreckte.
Aus gut fünfzig Metern Entfernung erblickte er einen hellgrauen Wagen des gleichen Typs, an dem ein etwa dreißigjähriger Mann mit schwarzen Haaren und dunkler Haut lehnte und eine Zeitung las. Der Wind verwehte ihm die Blätter. Er sah aus wie ein Südeuropäer. Der Ermittler deutete die Zeitung als verabredetes Zeichen. Er war noch etwa 30 Meter entfernt, als er die Parole rief.
Der Mann antwortete nicht, sah allerdings jetzt zu ihm herüber.
Croy hielt inne. Dann machte er einen Schritt zur Seite, näher an die Säulen heran, und hob den Arm.
Anstatt zu reagieren, faltete der Mann die Zeitung zusammen und setzte sich in den Wagen. Croy griff vorsichtig in die Innenseite seines Mantels, schob sich seitlich hinter die Säule vor Gate 2 und legte den Kopf leicht schief.
Der Motor des Skodas sprang an. War es das falsche Auto?
Croy sah sich um. Geschäftiges Treiben, überall. Verschiedene Automarken, verschiedene Farben. Niemand sonst, der ihn beachtete.
Hinter ihm trat soeben eine Gruppe Chinesen aus der Empfangshalle, jeder in einen blauen Mantel gekleidet und laut miteinander diskutierend.
Sie boten ihm nach hinten hin Schutz. Noch immer lief der Motor des Skoda. Weißlicher Rauch waberte aus dem Auspuffrohr.
Was sollte er jetzt tun? Croy ordnete seine Gedanken. So eine Situation hatte er oft genug trainiert. Dabei war er erst einmal »erschossen« worden, weil er sich nicht nach hinten hin abgesichert hatte.
Croy kniff die Augen zusammen und vermaß im Kopf die Entfernungen. Es waren fünf große Schritte zurück ins Gebäude, fünfundzwanzig Schritte oder fünf große Sprünge bis zu dem Wagen, in dem dieser Mann saß, der aber offenbar kein BKA-Abgesandter war. Croy begann zu frösteln. Er glaubte, dass der Mann durch den Rückspiegel zu ihm blickte. Plötzlich war er sich sicher, dass hier etwas nicht stimmte.
Für ihn unsichtbar, näherte sich ein gedrungen wirkender Mann in einem dunkelblauen Mantel vorsichtig der Gruppe von Chinesen und mischte sich unter sie. Während sie weiter ihre Gepäckstücke ordneten, machten sie ihm Platz. Der Unbekannte schlug den Mantelkragen hoch und trat an den Ermittler heran.
Gerade bereit, sich jetzt doch an den hellgrauen Wagen und seinen Fahrer heranzupirschen, tippte ihm der Unbekannte auf die Schulter. Croy sah aus den Augenwinkeln dessen Statur und den blauen Mantel, ordnete ihn den Chinesen zu und drehte sich um, ein höfliches Lächeln im Gesicht.
Er blickte in kalte graue Augen, sah eine fleischige Nase und Lippen, so dünn wie zwei Striche. Im nächsten Moment schnellte eine Faust mit Schlagring an sein Kinn.
Der Schmerz fuhr Croy ins Hirn und machte ihn für Sekundenbruchteile unfähig zu denken. Die Chinesen stoben erschrocken auseinander. Den
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