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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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    Außer Hilpert war nur die Bedienung in der Weinstube anwesend.
    »Falls Sie etwas essen wollen, müssen Sie sich was anderes suchen«, begrüßte ihn die Kellnerin am Eingang. Sie war klein, etwas rundlich, wirkte aber kräftig und trug ihre kastanienbraun gefärbten Haare kurz geschnitten. »Der Koch hat sich krank gemeldet.«
    Hilpert schüttelte nur kurz den Kopf, schwang sich etwas unsicher auf einen Barhocker, bestellte Wodka mit Orangensaft und trank ihn in einem Zug aus. Er sah etwas benebelt über die schwarze, blanke Theke hinüber zum Flaschenregal. Dann bestellte er einen weiteren Saft mit Schnaps, den er genauso schnell hinunterkippte. Die Kellnerin brachte Haselnüsse in einer Plastikverpackung. Er riss sie auf, verstreute die Hälfte der Nüsse. Sie fielen zu Boden.
    »Schmecken fabelhaft«, krähte er über die Bar.
    »Trinken Sie noch einen, dann schmeckt Ihnen sogar die Packung«, schallte es zurück.
    Der Wodka machte seine Sinne stumpf, seine Gedanken begannen zu schwimmen. Wie plötzlich freigelassene Geister wirbelten ihm die Ereignisse der vergangenen Tage durch den Kopf. Er hatte wegen des Anschlags kein schlechtes Gewissen; vielmehr dachte er, dass manche Dinge eben erledigt werden mussten. Dennoch kamen ihm diffuse Zweifel. Einmal Tschekist, immer Tschekist, wehrte er diese Gefühle im Innern ab, ballte dabei die Fäuste und empfand doch seine Hände als seltsam willenlos.
    Der Spiegel dem Tresen gegenüber zeigte ein aufgedunsenes Gesicht mit rötlicher Haut und verlebtem Ausdruck. Die dunklen Haare des Kopfes standen von der Nässe borstig ab.
    Hilpert wankte vom Tresen zu einem in der Ecke halb verdeckten Ecktisch und fiel mit schweren Beinen betrunken in den Stuhl. Dort blieb er eine Weile regungslos sitzen. Draußen vor der Tür wirbelte der Wind aus dem Dunkel eine gelbe Einkaufstüte in die Luft und schleuderte sie gegen ein Fenster des Lokals.
    »Gesegnet sind Menschen, die an etwas g …glauben«, stolperte seine schwere Zunge zu einem imaginären Gegenüber.
    »An Musik, an eine Frau, an einen anständigen Drink … und an das große Bäng-Bäng.« Hilperts Zähne mahlten, obwohl sein Mund leer war. Er nahm eine Serviette und wischte sich den Mund. »Ich war mal Dirigent«, lallte er, »aber wo ist mein Orchester?« Er hieb mit der Faust auf den Tisch.
    »Bedienung!«, brüllte er.
    Hinter der Theke rührte sich was.
    »Ihnen reicht’s wohl für heute«, stellte die Kellnerin unerbittlich fest, als sie an seinen Tisch trat. Sie griff nach dem leeren Viertelliterglas. Hilpert packte sie hart am Handgelenk.
    »Schätzchen«, drohte er, »willst du Ärger machen?«
    »Lassen Sie mich los«, fauchte sie, »ich hol sonst die Polizei!«
    »Die Polizei?« Hilpert prustete lauthals über den Tisch. »Ich bin die Polizei!«
    »Ach so?«, höhnte sie. »Dann bin ich Lara Croft , die sich das nicht mehr lange mit ansieht. Also lassen Sie mich verdammt noch mal los!«
    Hilpert schien überrascht und parierte sofort. Die rundliche Kellnerin kehrte zum Tresen zurück. Aus sicherer Entfernung sagte sie: »Und nun verlassen Sie schleunigst das Lokal, bevor ich Sie dazu zwingen muss.«
    Hilpert stierte sie an.
    »Mach mal halblang, Mädchen. Einen bringst du mir noch, und dann bist du mich los.«
    Sie kaute auf ihren Lippen und dachte nach. Doch sie blieb hart.
    Hilpert drückte sich aus dem Stuhl und wankte auf sie zu. Sie wich vom Tresen rückwärts weg, verstolperte sich. Geistesgegenwärtig griff sie nach dem Kneipentelefon, das in einer Funkstation friedlich blinkte. Sie glitt in die Küche zurück, schlug die dünne Holztür zu und verriegelte sie von innen. Dann wählte sie hektisch die Notrufnummer der Dresdner Polizei.
    Hilpert war ihr langsam gefolgt, nahm Anlauf und warf sein gesamtes Gewicht gegen die Barrikade. Die Küchentür war nur aus billiger Spanplatte gebaut, brach sofort aus den Angeln und krachte gegen einen Metallblock, der in der Mitte des Kochraums installiert war. Rumpfs Mörder verlor das Gleichgewicht und schlug hart auf dem Fliesenboden auf. Die Kellnerin floh an ihm vorbei in den benachbarten Büroraum, den sie zweimal hinter sich verschloss. Mit aller Kraft schob sie den Schreibtisch von innen gegen die Tür. Sie atmete erschöpft durch.
    Hilpert rappelte sich auf und lehnte, mit einer Platzwunde am Kopf, an der lang gestreckten Arbeitsplatte des Kochs.

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