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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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schossen ihm Gedanken darüber durch den Kopf, ob er oder sein Vermieter wegen irgendetwas bei der Polizei aktenkundig sein könnten. Er lenkte sich mit Reden ab, sprach von Lunge auf Zunge, plapperte einfach drauflos.
    »Ich war besoffen und hatte noch Durst. Dann wurde ich wütend, weil ich von der Dame des Hauses nichts mehr zu trinken bekam. Entschuldigen Sie diesen Ausrutscher.«
    Der Polizist sah ihn mit wachen Augen regungslos an. Das Glitzern war verschwunden.
    »So eine Überprüfung kann ein paar Minuten dauern.« Hilpert griff in seine Innentasche. Der Polizist knurrte: »Na?«
    Hilpert hielt eine Zigarettenpackung in den Händen.
    »Stört es Sie, wenn ich rauche?«
    Der Polizist schüttelte so unbeteiligt den Kopf wie ein Mann ohne Gedächtnis. Er starrte stattdessen in den Spiegel an der Wand. Sein Gesicht wurde nicht gnädiger behandelt als das seines Gegenübers.
    Sie standen und warteten. Noch immer war kein weiterer Gast in das Lokal gekommen. Es hatte zu schneien begonnen. Die Kellnerin polierte Gläser und sah ab und an neugierig auf die beiden Männer, die sich gegenüberstanden wie zwei Rivalen, die einander eine Pause gönnten. Endlich kam der zweite Polizist zur Tür herein und wedelte dabei mit einem grünlichen Zettel. Die Beamten besprachen sich kurz am Tresen und winkten dann die Kellnerin zu sich.
    »Wenn Sie eine Anzeige wegen Sachbeschädigung und Nötigung machen wollen, haben Sie jetzt die Gelegenheit.« Sie wollte.
    Und dann, an Hilpert gewandt, sagte er: »Je nachdem, wie der Staatsanwalt entscheidet, werden Sie entweder nochmals vorgeladen oder müssen schriftlich zu den Vorgängen hier im Lokal Stellung nehmen. Ansonsten können Sie gehen. Gegen Sie liegt aktuell nichts vor. Schlafen Sie sich aus.«
    Hilpert nickte wortlos und verließ mit schnellen Schritten das Lokal. Weg aus Dresden, dachte er nervös, und zwar auf kürzestem Wege.
    Nur kurze Zeit später bekamen die Polizeidienststellen Dresdens Post vom Bundeskriminalamt in Berlin. Hilperts zeitlicher Vorsprung betrug nicht einmal fünf Minuten.
     
    Für Katja Kirchner waren die vergangenen Tage eine Qual gewesen. Ihre erzwungene Anwerbung als Quelle machte der Journalistin zu schaffen; sie wehrte sich auch mit Vehemenz dagegen, zu einer Verräterin für ihre beste Freundin Emma zu mutieren. Sie sah in ihr weder eine Gefahr für den Staat noch konnte und wollte sie glauben, dass sie überhaupt für irgendjemanden eine Bedrohung darstellte. Also fand sie immer wieder Ausreden, ihr nicht zu begegnen oder sie gar zu besuchen.
    Anrufe Emmas ließ sie unbeantwortet oder ging erst gar nicht ans Telefon. In der Redaktion ihrer Zeitung meldete sie sich krank. Zwar hatte sie noch einen längeren Kommentar über das Attentat an Rumpf und die möglichen Hintergründe veröffentlicht, doch geschrieben war er einen Tag, bevor die unbekannten Männer sie in den Golf gezerrt und in das Lagerhaus gebracht hatten.
    Wie Rotorblätter eines Windkraftwerks kreisten ihre Gedanken immer um die gleiche Frage: Wem konnte sie sich anvertrauen? Der Druck, der seit einigen Tagen auf ihr lastete, wurde zum ständigen Begleiter, am Tag und in der Nacht. Sie fühlte sich schlapp und krank. Einerseits wollte sie ihre Freundin Emma trösten und ihr in ihrem Schmerz beistehen; andererseits erwarteten die dubiosen Agenten Ergebnisse. Ihr Hund spürte die seelischen Kämpfe; er verkroch sich tagsüber meist in seinem Korb neben der Eingangstür ihres Berliner Apartments.
    Berichte von Journalisten über Geheimdienste und ihre umstrittenen Zugänge zu Informationen hatte sie zwar gelesen, doch besonders berührt war sie davon nie gewesen. Ihre Meinung glich der anderer Journalistenkollegen auch: Geheimdienste waren ein notwendiges Übel und deren Informanten wie Larven, die sich in menschliches Übel hineinfraßen und fett darüber wurden. Niemals zuvor hatte sie auch nur einen Gedankenfetzen daran verschwendet, selbst zu einer solchen Larve zu werden und andere zu nähren.

23
    Manhattan, New York City, gleicher Tag, 10:12 Uhr Ortszeit
    Die Firma Autumn Leaves Inc. residierte in einem eher unauffälligen Haus aus den Siebzigerjahren, das mit seiner Eingangsfront zur Südseite des Rector Place in Downtown Manhattan zeigte. Der Bürgersteig davor war mit weißen und anthrazitfarbenen Marmorplatten belegt, die über den Sommer und den fortgeschrittenen Herbst eine Patina aus Moos und Mikroschlamm angesetzt hatten. Zwei Videokameras waren links und rechts an der

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