Trias
Zukunft einen unserer verlässlichsten Rohstofflieferanten verlieren. Wir stünden als Bittsteller da. Wir! Die Chinesen!« Kong tupfte sich Schweiß von der Stirn und spann seinen Monolog im Fach Politische Analyse weiter. »Wir ringen seit Jahren mit den USA um Jobs, Märkte, Ressourcen und um die globale Vorherrschaft. Unsere Regierung sieht das Ministerium für Staatssicherheit dabei in einer Art Schlüsselstellung.« Kong sprang plötzlich auf und sah beschwörend an die Decke.
Doch Gott war gerade nicht in Peking.
»God damned, wir stehlen ja nicht nur Patente, sondern wir unterwandern auch systematisch die globalen Konzerne mit unseren Leuten.«
Er setzte sich wieder. Storm sah ihn belustigt an.
»Wirtschaftsspionage«, warf der ehemalige DDR-Geheimdienstmann jetzt ein, »ist ein Geschäft mit Zukunft. Insofern …«
»Sie sagen es«, fuhr Kong grob dazwischen. »Nur auf diese Art des Krieges wird unser wunderbares Land das Machtmonopol der Amerikaner brechen können. Und derzeit hat die Verhinderung von Trias oberste Priorität.« Als stünde er im Bann seiner eigenen Worte, sah Kong mit verschleiertem Blick aus dem Fenster auf die Pagoden eines alten Klosters, das einer Bergkette vorgelagert war. Für den Geheimdienstgeneral hatte die Zeitenwende längst begonnen. Für ihn stand das 21. Jahrhundert nicht mehr im Zeichen von Uncle Sam , sondern im Zeichen der chinesischen Urkraft. Im Zeichen des Drachen. Für ihn war schon der Codename des Vertrages eine reine Provokation. Er missbrauchte nach chinesischem Verständnis etwas überaus Positives: das Symbol für die Triade Himmel, Erde und Mensch und die Dreieinigkeit der Lehren von Konfuzius, Dao und Buddha.
»Mittlerweile haben sich die Gemüter unserer Partei- und Staatsführung etwas beruhigt«, fuhr er fort. »Wir sind alle kühl genug, mit dieser Situation umzugehen. Unsere Strategie, erfahrene deutsche Agenten in die Operation Kiss mit einzubeziehen, scheint aufzugehen.«
»Ein etwas merkwürdiger Name für eine geheime Kommandosache«, sagte sein Besucher mit einem Anflug von Ironie. »Aber sie war bisher erfolgreich, nach allem, was ich gehört habe.« Er warf einen anerkennenden Blick auf Kong. Der General galt als einer der talentiertesten Geheimdienstchefs der Welt. Ein Grund dafür war seine Vorliebe für europäische Denkweisen.
»Wir liquidieren alle Beteiligten schnell und effizient«, meinte Kong und lehnte sich mit einem selbstgefälligen Ausdruck zurück. »Wir bringen jeden um, der diesen Vertrag unterstützt. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich bin ein Anhänger des Kiss-Prinzips. Kennen Sie es?«
Storm sah aus, als dächte er scharf nach. Er hatte davon gehört, doch er hielt Lee Kong gegenüber die Strategie der Zurückhaltung und des Nachfragens für klüger.
»Wenn Sie es mir erklären wollen?«
»Das Kiss-Prinzip besagt, dass man stets die einfachste mögliche Lösung eines Problems wählen sollte. Sein Erfinder war natürlich ein Amerikaner. In vollem Wortlaut bedeutet es: Keep it straight and simple .«
Storm dachte kurz nach. Er sagte: »Trias ist also das Problem - und die Liquidierung seiner geistigen Väter die Lösung?«
»So ist es.« Lee Kong lächelte.
Der frühere Staatssicherheitsagent wechselte kurz seine Sitzposition und drückte dabei den Rücken durch. Ihm war der spöttische Gesichtsausdruck Kongs nicht entgangen.
»Was ich aber nicht verstehe: Warum haben Sie es nicht zunächst mit einem formalen Protest in Washington, Berlin und Moskau über die üblichen diplomatischen Kanäle versucht?«
»Ich riet Ministerpräsident Jiang davon ab, weil uns so eine Vorgehensweise nur aufhalten würde. Mal abgesehen von meinem Verständnis von Problemlösungen: Wir beide kennen doch das Geschäft. Trias ist so geheim wie die Stationierung chinesischer atomgetriebener Lenkwaffen in Nordkorea. Würde uns darauf jemand ansprechen, würden wir scharfe Worte der Empörung finden. Glauben Sie etwa, dass auch nur eine Regierung eine Sache zugibt, die offiziell gar nicht existiert? Wir würden uns vor der Weltöffentlichkeit nur lächerlich machen. Ich sehe schon die Erwiderungen in sämtlichen großen Zeitungen: ›China leidet unter Verfolgungswahn‹. Nein, mein Lieber, diese Blöße geben wir uns nicht.«
»Und was ist mit Moskau? Peking gilt als enger Verbündeter.«
»Ach, Verbündeter«, sagte Kong verächtlich. »Seit die Russen jedem x-beliebigen Land, so auch uns, ihre Rohstoffpreise diktieren können, ist
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