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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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die Hand und sah dabei an ihm vorbei. Dann ging sie in ihr Büro, vorbei an den Fächern mit dem Posteingang. Obwohl sie ihr Fach bereits am Vormittag geleert hatte, bemerkte sie einen Brief. Er war ohne Absender, ohne Briefmarke. Ihr Name war offensichtlich mit Schreibmaschine geschrieben.
    Bevor sie ihn öffnete, kehrte sie in ihr Büro zurück und riss ihn auf. In der gleichen Schrift, nur etwas verschmiert gedruckt, standen folgende Zeilen auf dem weißen Blatt:
    Manchmal liegt das Ferne in der Nähe. Manchmal direkt gegenüber.
    Keine Unterschrift. Kein Datum.
    Was mochte diese Geheimnistuerei bedeuten? Emma Rumpf sah aus dem Fenster ihres Arbeitszimmers. Ihr Blutdruck stieg merklich an. Katja hatte sich seit mehreren Tagen nicht gemeldet. Immer schaltete sich nur ihr Anrufbeantworter ein. Sie wird mit den Recherchen zu tun haben, versuchte Emma eine Entschuldung ihrer besten Freundin. Doch nein, dachte sie: Emma kümmerte sich eindeutig nicht genügend um das Leid ihrer besten Freundin. Sie verzog enttäuscht das Gesicht.
    Erneut betrachtete sie das namenlose Schreiben.
    Manchmal liegt das Ferne in der Nähe. Manchmal direkt gegenüber.
    Gegenüber? Ihrem Bürofenster gegenüber verlief die Jägerstraße. Dort befand sich auch das Apartment ihres Mannes. Ihre Gedanken hielten inne. Gegenüber? In der Nähe? Das Ferne? Sie zögerte kurz. Dann nahm sie ihren Aktenkoffer, Mantel und Schirm. Sie war lange nicht dort gewesen. Den geheimnisvollen Brief steckte sie ein.
    Gekleidet in einen hellen, knielangen Mantel, ein blau gemustertes Wolltuch und mit festen schwarzen Schuhen überquerte Emma Rumpf an diesem trüben Novemberabend den Werderschen Markt und bog in die Jägerstraße ab, die nur wenige Meter hinter dem Gebäude des Auswärtigen Amtes als Seitenstraße begann. Weil sie fröstelte, zog sie ihr Wolltuch vom Hals bis fast unter die Nase.
    Es war kurz vor 21 Uhr. Aus den tief hängenden Wolken fiel feiner Nieselregen. Novemberwetter in Berlin: eine Sinfonie in Moll, eine Vertonung grauer Bilder.
    »Sie geht jetzt rein.« Der Mann in dem grauen Golf sah verstohlen hinter seinem Lenkrad auf die Häuserfront vor sich.
    »Behaltet sie im Auge«, sagte die Stimme hinter seinem Ohr.
    »Alles klar. Ende.«

3
    Berlin, Jägerstraße, Apartment von Stefan Rumpf, wenige Minuten später
    Das herrschaftlich anmutende Mietshaus hatte vier Etagen und vier lang gestreckte Flure, von denen jeweils einzelne Zimmer abgingen. Diese hotelähnliche Aufteilung besaß nur deshalb Charme, weil die Außenhülle des Hauses mit seinen Erkern, dem Stuck und den restaurierten Putten ein Fest für die Augen war.
    Die etwa 20 Quadratmeter großen Apartments waren schmucklos, funktional und jedes wie nach einem Baukastenprinzip eingerichtet: An den Wänden klebten weiße Tapeten mit einer wellenartigen Struktur, von den Decken hingen schwarze metallene Lampen mit runden Schirmen. Mitten im Raum standen zwei schwarze Sessel mit rundem Glastisch, seitlich davon eine mit grauem Holz eingefasste Liege und an ihrem Kopfende ein schmaler schwarzer Kleiderschrank. Ihm gegenüber befand sich eine Miniküche mit zwei Kochplatten, einem Kühlschrank und einer Edelstahlspüle. Das Bad war mit einer einfachen Dusche, Waschbecken und Toilettenanlage ausgestattet.
    Obwohl Rumpf das Apartment mehr als zwei Jahre genutzt hatte, sah es doch merkwürdig unbewohnt aus. Vielleicht ist es gereinigt worden, dachte seine Frau müde. Sie sank in einen der beiden schwarzen Sessel und überließ sich ihren Gedanken.
    Wie er hier wohl seine Abende verbracht hatte? Das Bett hätte ihm, wenn er denn wirklich eine andere Frau gehabt hätte, wohl kaum als außereheliche Spielwiese genügt. Es wäre ihm viel zu schmal gewesen.
    Gab es vielleicht Spuren im Bad? Sie trat vor den Spiegel über dem Waschbecken, sah Augenringe, beugte sich hinunter zu einem Einbauschränkchen - es war gänzlich leer.
    Durch das Fenster der Toilette gegenüber sah sie auf ein lang gestrecktes, aus grauem Stein neu erbautes Bürogebäude.
    In einigen Räumen brannte noch Licht, doch es war ihr unmöglich zu sehen, was man dort trieb.
    Sie zupfte vor dem Spiegel an ihrem Haar und kehrte in das Zimmer zurück. Die Stille des Raumes dröhnte in ihren Ohren.
    Sie war unschlüssig. Sollte sie wieder gehen? Oder doch noch einmal nach etwas suchen, von dem sie nicht wusste, was es war?
    Es ist wie die Suche nach Luft, dachte sie. Was war mit dem Schrank neben der Miniküche? Den hatte sie noch gar

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