Trias
Kaltenborn. »Und sie ist genau die Art Frau, wie ich sie mir noch heute wünschte.«
»Warum haben Sie beide es nicht geschafft?«, fragte Croy zurück. Er steuerte auf die Bank zu.
»Weil sie nicht nach Deutschland kommen wollte. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie in Wiesbaden oder heute in Berlin unterzubringen. Aber mir zu folgen hätte bedeutet, dass sie ihre Karriere in Tschechien aufgibt.« Croy hörte gespannt zu. Es war viel zu selten, dass Kaltenborn Persönliches aus seinem Leben preisgab. Der Ermittler hatte den Körperpanzer Kaltenborns immer gespürt, wenn es um dessen Privatleben ging. Vielleicht bekam er in Bezug auf Malichova wirklich keine Luft und konnte jetzt - wenn auch nur am Telefon - endlich seinen harten Kragen etwas weiten? Croy legte die Mappe mit den Einsatzplänen Malichovas auf das feuchte Holz der Bank. Die Papiere steckten in einer stabilen Plastikfolie. Er setzte sich auf sie und hörte weiter zu.
»Und es war nicht nur das«, bekannte Kaltenborn weiter. »Ihre Freunde, ihre Eltern hätten es nicht verstanden, dass sie als Tschechin zu einem Deutschen geht, um mit ihm zu leben. Man geht vielleicht nach Deutschland zum Geldverdienen, aber niemals, um einen Deutschen zu heiraten. Dafür sitzen die Vorurteile noch zu tief. Wir hätten beide an einer Front kämpfen müssen, an die wir nicht ziehen wollten.«
»Für Sie wäre es sehr viel einfacher gewesen«, sagte Croy und wusste um den provokativen Charakter seiner Bemerkung.
»Eine Ehe ist keine Einbahnstraße, Markus. Sicher hätte es von mir ebenso einiges an Engagement bedurft, um ihre Familie auf meine Seite zu ziehen …« Kaltenborns Stimme hatte sich gerade etwas abgekühlt.
»Ja, das verstehe ich«, steuerte sein Ermittler einem möglichen Stimmungsumschwung entgegen. »Vor allem hätten Sie in Gabrielas Familie Vertrauen erzeugen müssen.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Kaltenborn.
»Dass sie gleichberechtigt ist und keine Furcht zu haben braucht, von einem Deutschen und seinem Umfeld aufgesaugt zu werden. Mir scheint doch, dass die Tschechen deshalb auch ein starkes Wir- und Heimatgefühl haben, weil sie noch immer fürchten, die Deutschen könnten sich über sie erheben, ihnen etwas wegnehmen oder sogar überkommene Besitzansprüche anmelden.«
Kaltenborn räusperte sich.
Ob er wusste, dass Malichova für ihn immer noch sehr starke Gefühle empfand? Croy beschloss, es ihm zu sagen. Allerdings nicht direkt und - wie er fand - auch nicht sehr originell.
»Ich glaube nicht an die Endgültigkeit einer Sache, wenn man von ihrem Ende nicht überzeugt genug war. Die rationale Entscheidung ist das eine. Sind aber die Gefühle dagegen gewesen, fiel eine Tür vielleicht ins Schloss, aber niemand drehte den Schlüssel herum - was dann? Insofern würde ich an Ihrer Stelle im Hinblick auf Gabriela nichts ausschließen.«
Kaltenborn sagte eine Weile nichts. Croy horchte in die Leitung hinein. Er hörte ein Rascheln wie von losem Papier.
»Hallo?«, fragte er.
»Ich bin noch da«, sagte Kaltenborn leise.
»Warum fragen Sie Malichova nicht direkt, wie sie darüber denkt? Oder haben Sie beide Angst davor, nicht mehr die Gleichen zu sein wie damals?« Croy spürte, wie ihm kalter Wind übers Haar strich.
»Hören Sie, Croy«, sagte Kaltenborn wieder fester. »Ich mag Sie. Sie sind ein feiner Kerl und können gut zuhören. Ich habe die Tür zu Malichova niemals wirklich verschlossen. Und vielleicht stoßen wir sie beide auch wieder auf … Es kommt auf die passende Gelegenheit an, die sich bislang nicht mehr bieten wollte, verstehen Sie?«
Kaltenborn sagen zu hören, dass er im Grunde zu feige war, den ersten Schritt zu tun, machte ihn eher sympathischer. Dass er stets den knallharten und beherrschten Mann gab, einen, den anscheinend nichts aus der Bahn werfen konnte und der so tat, als habe er sein Leben und seine Arbeit immer unter Kontrolle, hatte bei seinem Ermittler Croy immer für Abstand zu ihm gesorgt. Nun, wo sein nächster Mitarbeiter den Menschen Kaltenborn geradezu fühlte, war er ihm näher als jemals zuvor.
Als geniere Kaltenborn diese neue Nähe, wechselte er abrupt das Thema. »Bis zu Ihrem Einsatz in Semtin sind es noch ein paar Tage. Haben Sie keine Angst um sich?«
Croy gefiel diese Wendung nicht. Er hielt die Zerstörung des veralteten Sprengstoffvorrats für wichtiger als eine Analyse darüber, was ihm dabei zustoßen mochte. Doch bevor er antworten konnte, hatte Kaltenborn wieder die Regie
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