Trias
übernommen.
»Tun Sie mir einen Gefallen und halten Sie mich immer auf dem letzten Stand der Dinge. Und spielen Sie nicht den Helden. Vielleicht haben Sie es mit Gegnern zu tun, die im Gegensatz zu Ihnen nicht mehr an das Gute glauben. Sie müssen sehr vorsichtig sein …Ich möchte Sie nicht verlieren.«
Den letzten Satz sagte er in einem für Croy ungewohnt weichen Ton. Dieser war irgendwie gerührt. »Trinken Sie einen Cardhu auf mich und zünden Sie eine Kerze an. Und Kaltenborn … ich habe auch Träume, die ich mir noch erfüllen will. Schon deshalb …«
»Und die wären?«, unterbrach sein Chef ihn wie ein vorlautes Kind.
»Dienstgeheimnis«, antwortete Croy kurz.
Kaltenborn grunzte etwas Unverständliches und legte dann - wie immer - schnell auf.
Während Croy sich von der Bank erhob und den Weg durch den Park zu seinem Wagen zurückkehrte, dachte er über das Gespräch mit Malichova und Kaltenborn nach. Sie war ihm längst nicht mehr so ungeheuer wie noch bei ihrer ersten Begegnung. Dennoch blieben bei ihm Reste von Zweifel. Und plötzlich war er sich auch bei Kaltenborn nicht mehr so sicher.
Auf dem Weg zu Beckers Büro brach die Vorderachse des Skodas plötzlich aus. Der Regen hatte die Buckel des alten Kopfsteinpflasters ausgewaschen und glatt gemacht. Croy war viel zu scharf um die Ecke gebogen. Seine Reifen gerieten aus der Spur und verdrehten dabei den Wagen. Nur um Haaresbreite verfehlte er ein Straßenschild, knallte mit einem Vorderreifen gegen den Bürgersteig und hatte Mühe, den Wagen wirksam abzubremsen. Er fluchte, fuhr nur noch im Schritttempo weiter und parkte wenig später direkt vor der Residentur.
Nicht weit von ihm saßen Männer in einem Wagen mit dunkel getönten Scheiben und registrierten jede seiner Bewegungen. Einer legte sein Fernglas wie ein Zielfernrohr an. Er sah, wie Croy seinen Wagen mit einer Fernbedienung schloss. Lichter blinkten auf. Jetzt spitzte Croy seinen Mund.
»Der pfeift irgendwas«, sagte der Spitzel.
Direkt neben dem Gebäude, an einer ausladenden Parkuhr, spielten zwei Jungen ein Spiel, bei dem man mit einem bisschen Geschick Geldstücke gewinnen, aber auch sehr schnell wieder verlieren kann. Sie warfen ihre Zweikronenstücke aus einem Abstand von etwa zwei Metern gegen die harten Mauern und hofften, die Münzen würden nicht wieder zu weit zurückspringen. Gewonnen hatte der, dessen Münze dabei am dichtesten an der Hauswand liegen blieb.
Ihnen war die Begeisterung anzumerken, denn die Jungen machten bei ihren Würfen so konzentrierte Gesichter wie erwachsene Spieler beim Pokern. Einer war ein schlechter Verlierer und rückte das verlorene Geldstück nicht heraus. Croy erinnerte die Szene an seine eigene Kindheit, an Szenen des Verlierens, in denen er seine Wut und Enttäuschung auch nie wirklich überzeugend hatte verbergen können - und es oftmals auch nicht gewollt hatte.
Der Streit der Prager Jungen um das Geld eskalierte. Der Verlierer stieß seinen Kameraden an. Der schob ihn zurück. Jetzt warfen sie sich böse Worte zu. Ihr Tschechisch verstärkte die Drohlaute in Croys Ohren zu einem bösen Zischen. Er war versucht, dazwischenzugehen. Doch er hielt sich zurück.
Die Spitzel beobachteten wie Croy die Szene mit Interesse. Der Verlierer hielt sein verlorenes Geldstück weiter fest umklammert. Sein Kamerad drehte sich von ihm weg, als gebe er seinen Gewinn verloren. Doch urplötzlich machte er kehrt und sprang mit seiner ganzen Kraft auf den anderen Jungen. Beide fielen zu Boden und wälzten sich im nassen Straßendreck. Croy war auf den Ausgang des Kampfes nicht scharf. Er stellte sich dicht vor die schwere Tür. Dann drückte er, unsichtbar für seine Beobachter, den Sicherheitscode 1978. Der Eingang öffnete sich einen Spaltbreit, Croy verschwand im Innern der Residentur. Es war 16 Uhr 12.
Der Spitzel setzte enttäuscht das Fernglas ab.
»Warum hat der Bulle nur so lange auf die Jungen gestarrt?«, fragte er seinen Begleiter.
Der zuckte die Achseln. »Vielleicht ein Homo.« Beide lachten abschätzig und verlegten sich wieder aufs Warten.
»Ah, Croy, kommen Sie. Kaffee?« Chris Becker, der Prager BKA-Verbindungsmann, versprühte einen für Croy unbekannten Charme. Doch er verneinte, denn er hatte es eilig.
»Sind schon Zecken vor Ort?«
»Ich fürchte ja«, antwortete ihm Becker. »Es wäre reines Wunschdenken zu glauben, dass wir beim Fall Rumpf unter uns bleiben.« Croy fröstelte leicht. Beckers Worte und das Büro mit dem
Weitere Kostenlose Bücher