Tricks
vielleicht auch nicht – bleckte er die Zähne. Als versetze ihr Anblick ihn in Angst und Schrecken, als drohe von ihr Gefahr.
Und sie stand stockstill, als gebe es immer noch die Möglichkeit, dass alles nur ein Scherz war, ein Spiel.
Dann kam er wieder auf sie zu, als wisse er jetzt, was zu tun sei. Ohne sie anzusehen, aber mit Entschiedenheit und – so kam es ihr vor – mit Abscheu legte er eine Hand an die Holztür, die Ladentür, die offen stand, und stieß sie zu, ihr ins Gesicht.
Das war eine Abkürzung. Entsetzt verstand sie, was er tat. Er spielte ihr dieses Theater vor, weil das die leichtere Art war, sie loszuwerden, statt ihr alles zu erklären und sich herumzuplagen mit ihrer Fassungslosigkeit und dem weiblichen Getue, ihren verletzten Gefühlen und vielleicht gar mit einem Zusammenbruch und mit Tränen.
*
Scham, furchtbare Scham war, was sie empfand. Eine selbstbewusstere und erfahrenere Frau hätte Zorn empfunden und wäre wutentbrannt weggegangen.
Ich scheiße auf ihn
. Robin hatte bei der Arbeit eine Frau über einen Mann reden hören, der sie verlassen hatte.
Trau nichts, was Hosen anhat
. Die Frau hatte sich verhalten, als sei sie nicht überrascht. Und tief im Innersten war auch Robin jetzt nicht überrascht, sondern gab sich selbst die Schuld. Sie hätte jene Worte im vorigen Sommer, das Versprechen und den Abschied auf dem Bahnhof, als eine Laune deuten müssen, belanglose Freundlichkeit zu einer einsamen Frau, die ihre Handtasche verloren hatte und alleine ins Theater ging. Er hatte es bestimmt schon bedauert, bevor er wieder zu Hause war, und inständig gehofft, dass sie ihn nicht beim Wort nehmen werde.
Es war gut möglich, dass er eine Ehefrau aus Montenegro mitgebracht hatte, eine Ehefrau oben in der Küche – das würde den Schreck auf seinem Gesicht erklären, den Schauder der Bestürzung. Wenn er an Robin gedacht hatte, dann mit der Angst, dass sie genau das tun würde, was sie getan hatte – ihren öden Jungmädchenträumen nachhängen, ihre albernen Pläne schmieden. Frauen hatten sich seinetwegen wahrscheinlich schon öfter zum Narren gemacht, und er hatte Möglichkeiten entdeckt, sie loszuwerden. Das war eine davon. Besser grausam als freundlich. Keine Entschuldigungen, keine Erklärungen, keine Hoffnung. Tu so, als ob du sie nicht erkennst, und wenn das nichts hilft, knall ihr eine Tür ins Gesicht. Je eher du sie dazu bringst, dich zu hassen, desto besser.
Obwohl das bei manchen von ihnen ein schweres Stück Arbeit ist.
Genau. Und jetzt weinte sie. Sie hatte es geschafft, die Tränen auf der Straße zurückzuhalten, aber nun, auf dem Weg am Fluss, weinte sie. Derselbe schwarze Schwan schwamm allein, dieselben Entenfamilien mit Küken und ihren quakenden Müttern, die Sonne auf dem Wasser. Es war besser, keinen Fluchtversuch zu unternehmen, besser, diesen Schlag nicht zu verdrängen. Wenn man das auch nur einen Augenblick lang tat, musste man darauf gefasst sein, dass man wieder getroffen wurde, von einem mächtigen, lähmenden Hieb in die Brust.
*
»Besseres Timing dieses Jahr«, sagte Joanne. »Wie war dein Stück?«
»Ich habe nicht bis zum Ende zugesehen. Gerade als ich ins Theater gehen wollte, ist mir ein Viech ins Auge geflogen. Ich habe immer wieder geblinzelt, aber ich bin's nicht losgeworden, und ich musste aufstehen und auf die Damentoilette gehen und versuchen, es rauszuwaschen. Und dann muss ein Teil davon aufs Handtuch geraten sein, und ich hab's mir auch ins andere Auge gerieben.«
»Du siehst aus, als hättest du dir die Augen aus dem Kopf geheult. Als du reingekommen bist, habe ich gedacht, das muss ja ein todtrauriges Stück gewesen sein. Wasch dir lieber das Gesicht mit Salzwasser.«
»Wollte ich gerade tun.«
Es gab noch andere Dinge, die sie zu tun beschloss oder vielmehr nicht zu tun beschloss. Nie wieder nach Stratford zu fahren, nie wieder durch jene Straßen zu laufen, nie wieder eines der Stücke zu sehen. Nie wieder die grünen Kleider zu tragen, weder das lindgrüne noch das avocadogrüne. Zu vermeiden, irgendetwas über Montenegro zu hören, was nicht schwierig sein dürfte.
II
Jetzt hat strenger Winter eingesetzt, und der See ist fast bis zum Wellenbrecher zugefroren. Das Eis ist rauh, an manchen Stellen sieht es aus, als seien große Wellen mitten in der Bewegung gefroren. Arbeiter sind auf den Straßen und nehmen die Weihnachtsbeleuchtung ab. Die Grippe ist im Anmarsch. Die Augen der Menschen tränen vom Laufen gegen den Wind. Die
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