Tricks
durchgegangen, und wissen Sie was? Sagen Sie's mir.«
»Besser, Sie sagen es mir«, sagt Robin.
»Weg. Weg. Gestohlen.«
»Sie kann verlegt worden sein. Ich werde mich mal umschauen.«
»Überrascht mich überhaupt nicht. Ich hätte es längst aufgeben sollen. Ich kämpfe gegen die großen Namen, und wer gewinnt je im Kampf gegen die? Sagen Sie mir die Wahrheit. Sagen Sie's mir. Soll ich aufgeben?«
»Das müssen Sie entscheiden. Sie allein.«
Er trägt ihr wieder einmal die Einzelheiten seines Missgeschicks vor. Er ist kein Wissenschaftler gewesen, er hat als Landvermesser gearbeitet, aber er muss sein Leben lang den wissenschaftlichen Fortschritt verfolgt haben. Die Informationen, die er ihr gegeben hat, und auch die Zeichnungen, die er mit einem stumpfen Bleistift zustande gebracht hat, sind ohne Zweifel richtig. Nur die Geschichte des Betrugs an ihm ist plump und vorhersehbar und verdankt wahrscheinlich vieles dem Kino oder dem Fernsehen.
Aber sie liebt immer den Teil der Geschichte, wo er beschreibt, wie die Spirale sich wie ein Reißverschluss öffnet und die beiden Stränge auseinanderschweben. Er macht es ihr mit solcher Anmut, mit so einfühlsamen Händen vor. Jeder Strang begibt sich auf seine vorbestimmte Reise, um sich selbst gemäß seinen eigenen Anweisungen zu verdoppeln.
Er liebt das auch, bewundert es, mit Tränen in den Augen. Sie dankt ihm immer für seine Erklärung und wünscht, er könnte an diesem Punkt aufhören, aber das kann er natürlich nicht.
Trotzdem glaubt sie, dass sein Zustand sich bessert. Wenn er anfängt, sich auf den Nebenschauplätzen des Unrechts zu tummeln, sich auf etwas wie die gestohlene Kopie zu konzentrieren, dann bedeutet das wahrscheinlich, dass sein Zustand sich bessert.
Mit ein bisschen Ermutigung, einer kleinen Umlenkung seiner Aufmerksamkeit könnte er sich vielleicht in sie verlieben. Das war zuvor schon bei zwei Patienten geschehen. Beide waren verheiratet. Aber das hielt Robin nicht davon ab, mit ihnen zu schlafen, nachdem sie entlassen worden waren. Da hatten sich jedoch die Gefühle bereits geändert. Die Männer empfanden Dankbarkeit, sie empfand Wohlwollen, zusammen empfanden sie eine Art von törichtem Heimweh.
Nicht, dass sie es bedauert. Es gibt jetzt sehr wenig, was sie bedauert. Ganz bestimmt nicht ihr Sexualleben, das sporadisch und geheim gewesen ist, aber im Großen und Ganzen wohltuend. Die Mühe, die sie darauf verwandt hat, es geheim zu halten, war vielleicht gar nicht erforderlich, angesichts der Meinung, die die Leute sich von ihr gebildet haben – die Leute, die sie jetzt kennt, irren sich darin genauso gründlich wie die Leute, die sie vor langer Zeit kannte.
*
Coral gibt ihr einen Ausdruck.
»Nicht viel«, sagt sie.
Robin bedankt sich bei ihr, faltet ihn zusammen und geht zum Schrank, um ihn in ihre Handtasche zu stecken. Sie will allein sein, wenn sie ihn liest. Aber sie kann nicht warten, bis sie nach Hause kommt. Sie geht in den Raum der Stille, der früher der Gebetsraum war. Niemand pflegt gerade dort drin der Stille.
*
Adžić, Alexander. Geb. 3 . 7 . 1924 in Bjelojevici, Jugoslawien. Nach Kanada eingewandert 29 . 5 . 1962 unter der Obhut seines Bruders Danilo Adžić, geb. 3 . 7 . 1924 in Bjelojevici, kanadischer Staatsbürger.
Alexander Adžić lebte bei seinem Bruder Danilo bis zu dessen Tod am 7 . 9 . 1995 . Er wurde am 25 . 9 . 1995 in die Langzeitpflegeeinrichtung des Kreises Perth aufgenommen und ist seitdem dort Patient.
Alexander Adžić ist offenbar von Geburt an oder aufgrund einer Erkrankung kurz danach taubstumm. Es standen ihm in der Kindheit keine Sonderschuleinrichtungen zur Verfügung, sein I.Q. wurde nie überprüft, er wurde aber angelernt, Uhren zu reparieren. Keine Ausbildung in Gebärdensprache. Vollkommen vom Bruder abhängig und dem Anschein nach allen anderen gegenüber unzugänglich. Apathie, Appetitlosigkeit, gelegentlich Feindseligkeit, allgemeine Regression seit der Einlieferung.
*
Unerhört.
Brüder.
Zwillinge.
Robin möchte dieses Blatt Papier irgendjemandem, jemandem in Amt und Würden, vorlegen.
Das ist lächerlich. Das nehme ich nicht hin.
Dennoch.
Shakespeare hätte sie darauf vorbereiten können. Zwillinge geben bei Shakespeare oft Anlass zu Verwechslungen mit katastrophalen Folgen. Ein böses Mittel zum guten Zweck, das sollen diese Tricks sein. Und am Ende sind die Rätsel gelöst, die üblen Streiche vergeben, die wahre Liebe oder etwas Ähnliches
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