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Tricks

Tricks

Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Dana. »Überall auf dem Boden ist Blut.«
    Janey sagte: »Sie hat sich an einer Muschelschale geschnitten. Dana hat die Schalen hier liegen lassen, sie wollte ein Haus für Iwan bauen. Iwan, ihren Schneck.«
    Eine Waschschüssel wurde herausgebracht. Wasser, um die Wunde auszuwaschen, ein Handtuch, und alle fragten sie, ob es sehr wehtue.
    »Nicht allzu schlimm«, sagte Grace und humpelte zu den Stufen, wobei die beiden kleinen Mädchen darum wetteiferten, sie zu stützen und ihr ständig im Weg zu sein.
    »Sieht böse aus«, sagte Gretchen. »Aber warum hast du denn keine Schuhe angehabt?«
    »Riemchen gerissen«, sagten Dana und Janey im Chor, als ein weinrotes Kabrio rasant und fast geräuschlos auf den Parkplatz kurvte.
    »Also das nenne ich zur rechten Zeit«, sagte Mrs. Travers. »Da ist genau der Mann, den wir brauchen. Der Arzt.«
    Es war Neil, den Grace zum ersten Mal sah. Er war groß, hager und bewegte sich rasch.
    »Deine Tasche«, rief Mrs. Travers fröhlich. »Wir haben schon einen Fall für dich.«
    »Hübsches Stück Blech hast du da«, sagte Gretchen. »Neu?«
    Neil sagte: »Stück Protz.«
    »Jetzt ist das Baby aufgewacht.« Mavis stieß einen Seufzer allgemeiner Anklage aus und ging ins Haus.
    Janey sagte streng: »Also man kann nichts machen, ohne dass dieses Baby aufwacht.«
    »
Du
sei lieber still«, sagte Gretchen.
    »Sag bloß nicht, du hast sie nicht dabei«, sagte Mrs. Travers. Aber Neil nahm schwungvoll eine Arzttasche vom Rücksitz, und sie sagte: »Ach, gut, du hast sie dabei, man kann eben nie wissen.«
    »Bist du die Patientin?«, sagte Neil zu Dana. »Was ist los? Kröte verschluckt?«
    »Sie ist es«, sagte Dana würdevoll. »
Grace

    »Aha. Sie hat die Kröte verschluckt.«
    »Sie hat sich
den Fuß aufgeschnitten
. Es blutet und blutet.«
    »An einer Muschelschale«, sagte Janey.
    Jetzt sagte Neil: »Rückt mal ein Stück« zu seinen Nichten, setzte sich auf die Stufe unter Grace, hob behutsam ihren Fuß hoch und sagte: »Gebt mir das Handtuch da oder was«, tupfte dann behutsam das Blut ab, um sich die Wunde ansehen zu können. Jetzt, wo er ihr so nahe war, nahm Grace einen Geruch wahr, den sie durch ihre Arbeit in der Gaststätte inzwischen kannte – der Geruch nach Alkohol, überdeckt von Pfefferminz.
    »Und ob«, sagte er. »Es blutet und blutet. Das ist gut, das reinigt. Tut's weh?«
    »Schon«, sagte Grace.
    Er sah ihr forschend, wenn auch nur kurz, ins Gesicht. Vielleicht fragte er sich, ob sie den Geruch bemerkt hatte und was sie darüber dachte.
    »Bestimmt. Sehen Sie den Hautlappen? Da müssen wir drunter und sicherstellen, dass alles sauber ist, dann nähe ich das mit ein oder zwei Stichen. Ich habe ein Zeug dabei, das ich auftragen kann, damit's nicht ganz so wehtut, wie Sie denken.« Er sah zu Gretchen hoch. »He. Lass uns mal das Publikum fortschaffen.«
    Er hatte noch nicht ein Wort mit seiner Mutter geredet, die jetzt wiederholte, wie gut es doch war, dass er sich genau in dem Augenblick eingefunden hatte.
    »Pfadfinder«, sagte er. »Allzeit bereit.«
    Seine Hände fühlten sich nicht betrunken an, und seine Augen sahen nicht betrunken aus. Weder sah er wie der lustige Onkel aus, den er gespielt hatte, als er mit den Kindern sprach, noch wie der Lieferant beruhigender Formeln, als der er Grace gegenüber aufgetreten war. Er hatte eine hohe, blasse Stirn, einen Helm aus dichten, krausen, grauschwarzen Haaren, hellgraue Augen und einen breiten Mund, dessen schmale Lippen eingesogen wirkten, wie aus einer heftigen Regung heraus, sei es Ungeduld oder Hunger oder Schmerz.
    Als die Wunde bandagiert worden war, draußen auf der Treppe – Gretchen war inzwischen mit den Kindern zusammen in die Küche gegangen, aber Mrs. Travers war geblieben, hatte ganz genau hingeschaut, mit zusammengepresstem Mund, als verspräche sie, mit keinem Wort zu unterbrechen –, sagte Neil, er meine, es sei eine gute Idee, Grace in die Stadt zu fahren, ins Krankenhaus.
    »Für eine Tetanusspritze.«
    »Es fühlt sich gar nicht so schlimm an«, sagte Grace.
    »Darum geht es nicht«, sagte Neil.
    »Ich bin völlig deiner Meinung«, sagte Mrs. Travers. »Wundstarrkrampf – schrecklich.«
    »Wird nicht lange dauern«, sagte er. »So. Grace? Grace, ich bringe Sie zum Auto.« Er umfasste ihren Arm. Sie hatte die heile Sandale übergestreift und die Zehen in die andere gesteckt, so dass sie sie mitschleifen konnte. Der Verband war sehr ordentlich und fest.
    »Ich geh nur kurz rein«, sagte

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