Tricks

einen Tanz flehentlicher Bitten. Trotzdem erwiderte sie: »Kirchen sind nicht immer sicher.«
    »Wie wahr.«
    »Und ich bin nicht Ihre Schwägerin.«
    »Zukünftige. Habe ich nicht gesagt, zukünftige?«
    »Das bin ich auch nicht.«
    »Ach.Na. Ich glaube, das überrascht mich nicht. Nein.«
    Dann veränderte sich seine Stimme wieder, wurde sachlich.
    »Ich halte nach einer Abzweigung Ausschau, nach rechts. Eine Straße, die ich wiedererkennen müsste. Kennen Sie sich hier aus?«
    »Nicht in dieser Gegend, nein.«
    »Sie kennen nicht Flower Station? Oompah, Poland? Snow Road?«
    Sie hatte nie davon gehört.
    »Ich möchte da jemanden besuchen.«
    Schließlich bog er rechts ab, unter zweifelndem Gemurmel. Es gab keine Straßenschilder. Diese Straße war schmaler und holperiger, mit einer einspurigen hölzernen Brücke. Die Bäume des Laubwaldes bildeten mit ihren Zweigen darüber ein Dach. Das Laub verfärbte sich in diesem Jahr wegen des ungewöhnlich warmen Wetters erst spät, deshalb waren die Zweige noch grün, bis auf den einen oder anderen, der wie ein Banner hervorstach. Es kam ein Gefühl von Heiligtum auf. Neil und Grace schwiegen, Meile um Meile, und immer noch tat sich keine Lücke zwischen den Bäumen auf, war kein Ende des Waldes in Sicht. Doch dann brach Neil den Frieden.
    Er fragte: »Können Sie fahren?«, und als Grace verneinte, sagte er: »Ich finde, Sie sollten es lernen.«
    Er meinte, sofort. Er hielt an, stieg aus und kam zu ihrer Seite herum, sie musste sich ans Lenkrad setzen.
    »Gibt keinen besseren Platz.«
    »Was, wenn etwas kommt?«
    »Da kommt nichts. Und wenn, dann schaffen wir das. Deshalb habe ich eine gerade Strecke ausgesucht. Und keine Sorge, Sie machen alles mit dem rechten Fuß.«
    Sie waren am Anfang eines langen Tunnels unter den Bäumen, der Boden war gefleckt mit Sonnenlicht. Er gab sich nicht damit ab, ihr zu erklären, wie Autos funktionierten – er zeigte ihr einfach, wo sie den Fuß hintun musste, und ließ sie mit der Gangschaltung üben, dann sagte er: »Jetzt fahren Sie los und tun, was ich Ihnen sage.«
    Der erste Satz des Autos jagte ihr einen Schreck ein. Die Gänge knirschten beim Schalten, und sie dachte, er würde den Unterricht sofort abbrechen, aber er lachte. Er sagte: »Brrr, immer mit der Ruhe. Fahren Sie weiter«, und sie tat es. Er monierte nichts an ihrem Umgang mit dem Lenkrad oder daran, wie sie über dem Lenken das Gaspedal vergaß, sagte höchstens: »Immer weiter, immer weiter, bleiben Sie auf der Straße, lassen Sie den Motor nicht verrecken.«
    »Wann kann ich anhalten?«, fragte sie.
    »Erst, wenn ich Ihnen sage, wie.«
    Er ließ sie weiterfahren, bis sie aus dem Tunnel herauskamen, dann erklärte er ihr, wie man bremste. Sobald sie angehalten hatte, machte sie die Tür auf, damit sie die Plätze tauschen konnten, aber er sagte: »Nein. Das ist nur eine Atempause. Bald werden Sie Spaß daran haben.« Und als sie weiterfuhren, merkte sie, dass er recht haben könnte. Ihre Aufwallung von Selbstvertrauen trug sie fast in den Straßengraben. Trotzdem lachte er, als er ins Lenkrad greifen musste, und der Unterricht ging weiter.
    Er erlaubte ihr nicht anzuhalten, bis sie – so kam es ihr vor – etliche Meilen gefahren war und sogar – langsam – einige Kurven genommen hatte. Dann sagte er, sie sollten besser tauschen, denn er konnte sich nicht orientieren, wenn er nicht selbst am Steuer saß.
    Er fragte, wie sie sich jetzt fühlte, und obwohl sie am ganzen Körper zitterte, sagte sie: »Gut.«
    Er fuhr ihr von der Schulter bis zum Ellbogen über den Arm und sagte: »So eine Lügnerin.« Aber darüber hinaus berührte er sie nicht, ließ sie nirgendwo noch einmal seinen Mund spüren.
    Einige Meilen weiter musste er seinen Orientierungssinn zurückerlangt haben, denn als sie zu einer Kreuzung gelangten, bog er links ab, die Bäume standen immer weniger dicht, auf einer holperigen Straße fuhren sie eine lange Steigung hinauf, und nach ein paar Meilen kamen sie zu einem Dorf oder wenigstens zu einer Ansammlung von Gebäuden entlang der Straße. Eine Kirche und ein Laden, beide nicht offen, um ihrem ursprünglichen Zweck zu dienen, aber wahrscheinlich bewohnt, nach den Fahrzeugen um sie herum und den traurig aussehenden Vorhängen in den Fenstern zu urteilen. Ein paar Häuser im selben Zustand, und hinter dem einen eine eingestürzte Scheune mit altem dunklen Heu, das zwischen den geborstenen Balken hervorquoll wie aufgedunsene Eingeweide.
    Neil tat einen