Tricks
begeisterten Ausruf beim Anblick dieses Ortes, aber er hielt nicht dort an.
»Welche Erleichterung«, sagte er. »Wel–che–Er–leichterung. Jetzt weiß ich Bescheid. Vielen Dank.«
»Wofür?«
»Dafür, dass ich Ihnen das Fahren beibringen durfte. Das hat mich beruhigt.«
»Das hat Sie beruhigt?«, sagte Grace. »Wirklich?«
»So wahr ich lebe.« Neil lächelte, sah sie aber nicht an. Er war damit beschäftigt, von einer Seite zur anderen zu schauen, über die Felder hinweg, die sich entlang der Straße erstreckten, nachdem sie das Dorf hinter sich gelassen hatten. Er redete wie mit sich selbst.
»Das ist es. Muss es sein. Jetzt wissen wir Bescheid.«
Und so weiter, bis er in einen Weg einbog, der nicht gerade verlief, sondern sich durch eine Wiese schlängelte, um große Steine und Wacholderbüsche herum. Am Ende des Weges stand ein Haus, das in keinem besseren Zustand war als die Häuser im Dorf.
»Also hier«, sagte er, »hier nehme ich Sie nicht mit hinein. Bleibe höchstens fünf Minuten.«
*
Er blieb wesentlich länger.
Sie saß im Auto, im Schatten des Hauses. Die Haustür stand offen, nur die Fliegentür war zu. Das Fliegengitter war an einigen Stellen repariert worden, neueres Drahtgeflecht war in das ältere eingesetzt. Niemand kam nach ihr schauen, nicht mal ein Hund. Und jetzt, wo das Auto stand, füllte sich der Tag mit einer unnatürlichen Stille. Unnatürlich, weil man erwarten würde, dass solch ein warmer Nachmittag erfüllt war von dem Summen und Brummen und Zirpen der Insekten im Gras, in den Wacholdersträuchern. Auch wenn man sie nirgendwo sehen konnte, würden ihre Geräusche aus allem aufsteigen, was auf der Erde wuchs, bis zum Horizont hin. Aber es war zu spät im Jahr, vielleicht sogar zu spät, um Wildgänse auf ihrem Flug nach Süden rufen zu hören. Jedenfalls hörte sie keine.
Man schien hier auf dem Gipfel der Welt zu sein, oder auf einem ihrer Gipfel. Die Wiesen und Felder ringsum fielen ab, die Bäume in der Ferne waren nur zum Teil sichtbar, weil sie auf tieferem Grund wuchsen.
Wen kannte er hier, wer wohnte in diesem Haus? Eine Frau? Es war unwahrscheinlich, dass eine Frau von der Art, die er begehren würde, an solch einem Ort hauste, aber was Grace heute alles an Merkwürdigkeiten begegnete, das schien kein Ende nehmen zu wollen. Kein Ende.
Das Haus war einmal aus Ziegelsteinen gewesen, aber jemand hatte begonnen, die Ziegelsteine zu entfernen. Schlichte hölzerne Wände waren darunter freigelegt worden, und die Ziegelsteine, die sie bedeckt hatten, waren im Hof unordentlich aufgehäuft worden, warteten vielleicht darauf, verkauft zu werden. Die Ziegelsteine, die an der Wand des Hauses verblieben waren, bildeten eine diagonale Linie, Treppenstufen, und Grace, die nichts zu tun hatte, lehnte sich zurück, schob ihren Sitz zurück, um sie zu zählen. Sie tat das aus Albernheit und gleichzeitig ernsthaft, wie man einer Blume die Blütenblätter auszupft, aber nicht mit so deutlichen Worten wie
Er liebt mich, er liebt mich nicht
.
Glück. Nein. Glück. Nein
. Mehr wagte sie nicht.
Sie fand es schwer, den Ziegelsteinen in ihrer Zickzackanordnung zu folgen, zumal die Linie sich über der Tür abflachte.
Plötzlich wusste sie es. Was sonst konnte das sein? Eine Schwarzbrennerei. Sie dachte an den Schwarzbrenner zu Hause – ein rotgesichtiger, knochiger alter Mann, mürrisch und misstrauisch. Am Halloween-Abend saß er mit einer Schrotflinte auf den Stufen vor seinem Haus. Und er malte Zahlen auf die neben seiner Tür gestapelten Holzscheite, damit er merkte, wenn welche gestohlen worden waren. Sie stellte ihn sich vor – oder diesen hier –, wie er in der Hitze vor sich hin döste, in seinem schmutzigen, aber aufgeräumten Zimmer (dass es so sein musste, wusste sie durch die reparierten Stellen im Fliegengitter). Wie er aufstand von seiner knarrenden Pritsche oder Couch, mit dem fleckigen Quilt darauf, das eine weibliche Verwandte, eine Frau, die inzwischen tot war, vor langer Zeit angefertigt hatte.
Nicht, dass sie je in dem Haus eines Schwarzbrenners gewesen wäre, aber da, wo sie herkam, waren die Trennlinien zwischen einigen ärmlichen Lebensweisen, die achtbar waren, und einigen, die es nicht waren, ziemlich dünn. Sie wusste, wie die Dinge waren.
Wie merkwürdig, dass sie daran gedacht hatte, Maury zu heiraten. Das wäre ja eine Art Verrat. Ein Verrat an sich selbst. Aber es war kein Verrat, mit Neil zu fahren, weil er einige derselben Dinge wusste wie
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