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Tricks

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Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Fragen steckten, nie das Gefühl, wenn sie nicht aufpasste, würde sie ausgequetscht werden.
    Delphine brachte ihr Witze bei. Sie sagte, sie kenne Hunderte von Witzen, aber sie werde Lauren nur die erzählen, die sie für geeignet halte. Harry hätte die Witze über Leute aus Neufundland (die Neufundis) nicht für geeignet gehalten, aber Lauren lachte pflichtschuldigst.
    *
    Sie erzählte Harry und Eileen, dass sie nach der Schule zu einer Freundin ging. Was ja nicht einmal gelogen war. Sie schienen sich zu freuen. Aber ihretwegen nahm sie die Goldkette mit ihrem Namen dran nicht, als Delphine sagte, dass sie sie haben konnte. Sie gab vor, besorgt zu sein, dass die Besitzerin immer noch kommen und danach fragen konnte.
    Delphine kannte Harry, sie brachte ihm im Coffee Shop das Frühstück, und sie hätte Laurens Besuche ihm gegenüber erwähnen können, aber offenbar tat sie es nicht.
    Sie stellte manchmal ein Schild auf den Tresen –
Bitte klingeln
– und nahm Lauren mit in andere Teile des Hotels. Hin und wieder blieben Gäste über Nacht, und ihre Betten mussten gemacht werden, die Toiletten und Waschbecken mussten gewischt und die Fußböden staubgesaugt werden. Lauren durfte nicht helfen. »Setz dich einfach hin und rede mit mir«, sagte Delphine. »Das ist eine einsame Arbeit.«
    Aber sie war diejenige, die redete. Sie redete über ihr Leben, ohne irgendeine Ordnung hineinzubringen. Personen erschienen und verschwanden, und Lauren sollte ohne nachzufragen wissen, wer sie waren. Leute namens Mr. und Mrs. waren gute Chefs. Andere Chefs hießen
Schweinebauch
und
Pferdearsch (Gewöhn dir ja nicht meine Wörter an)
und waren schrecklich. Delphine hatte in Krankenhäusern gearbeitet
(Als Krankenschwester? Bist du verrückt?)
und auf Tabakfeldern und in Schnellgaststätten und Kaschemmen und auf einem Holzfällercamp, wo sie gekocht hatte, und auf einem Busbahnhof, wo sie geputzt und Dinge mit angesehen hatte, die zu unanständig waren, um erzählt zu werden, und in einem rund um die Uhr geöffneten Eckladen, in dem sie überfallen worden war und danach gekündigt hatte.
    Manchmal hatte sie sich mit Lorraine zusammengetan und manchmal mit Phyl. Phyl hatte eine Vorliebe dafür gehabt, sich ihre Sachen auszuborgen, ohne sie zu fragen – sie borgte sich Delphines Bluse und ging damit tanzen und schwitzte so stark, dass die Achseln durch waren. Lorraine hatte zwar die High School abgeschlossen, aber sie machte den großen Fehler, einen Schwachkopf zu heiraten, und inzwischen tat es ihr bestimmt leid.
    Delphine hätte heiraten können. Einige Männer, mit denen sie ausgegangen war, hatten es zu etwas gebracht, andere hatten sich als Versager herausgestellt, von wieder anderen wusste sie nicht, was aus ihnen geworden war. Sie hatte einen Jungen namens Tommy Kilbride lieb gehabt, aber der war katholisch.
    »Du weißt wahrscheinlich nicht, was das für eine Frau heißt.«
    »Es heißt, dass sie nicht verhüten darf«, sagte Lauren. »Eileen war katholisch, aber sie ist ausgetreten, weil sie nicht einverstanden war. Eileen, meine Mom.«
    »Deine Mom hätte sich sowieso keine Sorgen zu machen brauchen, bei dem Ergebnis.«
    Lauren verstand nicht. Dann dachte sie, Delphine musste damit meinen, dass sie – Lauren – ein Einzelkind war. Sie musste denken, dass Harry und Eileen nach ihr gerne noch weitere Kinder gehabt hätten, dass aber Eileen keine mehr bekommen konnte. Was, soweit Lauren wusste, nicht der Fall war.
    Sie sagte: »Sie hätten noch mehr kriegen können, wenn sie gewollt hätten. Nachdem sie mich bekommen hatten.«
    »Das denkst du also?«, sagte Delphine scherzhaft. »Vielleicht konnten sie überhaupt keine bekommen. Haben dich adoptiert.«
    »Nein. Haben sie nicht. Das weiß ich.« Lauren war drauf und dran, ihr zu erzählen, was während Eileens Schwangerschaft passiert war, aber sie verschwieg es, weil Harry so darauf gedrängt hatte, dass es ein Geheimnis blieb. Sie war abergläubisch, wenn es darum ging, ein Versprechen zu brechen, obwohl ihr aufgefallen war, dass es Erwachsenen oft nichts ausmachte, ihre zu brechen.
    »Schau nicht so ernst drein«, sagte Delphine. Sie nahm Laurens Gesicht in die Hände und tippte ihr mit ihren Brombeerfingernägeln auf die Wangen. »Ich mach doch bloß Spaß.«
    *
    Der Trockner in der Hotelwaschküche war kaputt, Delphine musste die nassen Bettlaken und Handtücher aufhängen, und weil es regnete, war der beste Platz dafür der alte Pferdestall. Lauren half ihr, die mit

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