Tricontium (German Edition)
einmal zwei, bevor er beschloss, nicht den Rest seines Lebens damit verbringen zu wollen, friedliche Blumen auf zarte Stoffe zu sticken und sich neugierig von den Kunden begaffen zu lassen, die Asris Werkstatt in diesen schlimmen Tagen nach dem Krieg ohnehin nicht so zahlreich aufsuchten wie in besseren Zeiten. Im »Bischof Garimund« ließ er sich anwerben, einen Händler als Leibwächter auf der Reise nach Padiacum zu begleiten.
Schon während er noch krank und zitternd unter Asris greifenbestickten Decken gelegen und schlecht geträumt hatte, waren Bara und Asri nach Sala gegangen und hatten ihm seine Habseligkeiten geholt, zwei volle Truhen und einigen Kleinkram, der nicht mit hineingegangen war. Nur die Frage, was aus dem kostbar geschnitzten Stuhl geworden war, der einmal Valerian gehört hatte, hatte sich nicht mehr klären lassen; irgendjemand hatte ihn wohl in dem Glauben, der Schwertmeister sei ohnehin nicht aus der Schlacht zurückgekehrt, beiseitegeschafft.
Erst sehr viel später, als Ardeija aus Padiacum zurück war und auf neue Aufträge wartete, wagte er sich einmal nach Sirmiacum hinüber und fragte lange genug herum, um zu erfahren, dass es nicht viel zu erfahren gab. Wulf war angeblich in Salvinae oder sonstwo gefangen wie so viele andere. Seine Schwiegertochter war fortgegangen, ohne zu sagen, wohin; über Wulfilas Verbleib war nichts in Erfahrung zu bringen. Ardeija hoffte, dass Merula bei ihrem Mann war und dass es ihnen irgendwo und irgendwie leidlich gut ging. Doch falls Wulfila frei und am Leben war, hielt er es anscheinend nicht für ratsam, alte Freunde zu besuchen, und so wurde er mit den Jahren zu einer sehr fernen Erinnerung an eine Vergangenheit, die nicht mehr viel mit dem Krieger zu tun hatte, der sich ein paar Jahre mühselig durchschlug, bis er seinen Dienst beim Niedergericht antrat.
Am Ende wusste Ardeija nicht, wie viel davon er nur im Geist wieder durchlebt und wie viel er wirklich Oshelm erzählt hatte, doch der Schreiber sah gebührend beeindruckt aus.
»Da habt Ihr einiges erlebt«, sagte er schließlich, »wirklich einiges.«
Ardeija hob mit gespielter Gleichgültigkeit die Schultern und rief Gjuki zurück, der in einem Kaninchenloch zu verschwinden drohte. »Ach, ich weiß nicht. Euch ist es schlimmer ergangen.«
»Nein.« Seltsamerweise schien das kein höfliches Abwiegeln zu sein; Oshelm musterte ihn ernst. »Mons Arbuini war fürchterlich, das ist wahr, aber gewiss nicht so fürchterlich, wie zu glauben, dass einen ein Freund gleich umbringen wird.«
»Er hat es ja nicht getan.« Es war gut, dass Gjuki, warm und klein, wieder auf seiner Schulter zu spüren war und dass Medardus unten auf der Straße dröhnend über einen Scherz lachte, den der zweite Krieger ihm erzählt hatte.
Oshelm verschränkte die knochigen Finger über einem Knie. »Zu Eurem und zu seinem Glück! Aber Herr Otachar hat es getan, ob nun wissentlich oder nicht.« Ardeija nickte nur und war dankbar, dass Oshelm ihm einige Augenblicke Zeit ließ, bevor er weitersprach: »Ich will Euch etwas sagen, Ardeija. Wir werden nicht heute noch geradewegs nach Mons Arbuini gehen. Bis wir dort ankommen, ist es ohnehin Nacht und wir erreichen nicht viel. Aber eine halbe Stunde von hier liegt ein Gasthaus. Wir können uns dort einen ruhigen Abend machen und morgen sehen, was wir in den Steinbrüchen erreichen.«
Ardeija löste sich endlich aus seiner Erstarrung und streckte die Beine. »Nichts wird besser davon, dass man es aufschiebt.«
»Doch auch nicht davon, dass man sich blind hineinstürzt.«
»Blind hineingestürzt haben wir uns bisher in gar nichts; wir haben uns nur auf diesem Stein halb totgefroren«, gab Ardeija mit einem Kopfschütteln zurück. »Kommt. Ihr werdet mir am Ende dankbar sein, dass wir es schnell hinter uns gebracht haben.«
Als sie zwei Stunden darauf die Anhöhe erreichten, von der aus man den alten Zollturm mit seinem Wachfeuer und die dunkle Form des flachen Felsens erkennen konnte, bei dem der Weg zu den Steinbrüchen hinüber abzweigte, fragte Ardeija sich jedoch, ob Oshelm ihn nicht weit eher verfluchen würde. Nicht allein, dass der Schreiber mit jedem Schritt seines Pferds schweigsamer und unglücklicher geworden war, in Mons Arbuini lag sichtlich etwas im Argen. Es hätten um diese Zeit nicht mehr so viele Leute bei den wenigen Häusern am Zollturm versammelt sein dürfen und unter gewöhnlichen Umständen hätten auch keine Krieger sowohl die Straße nach Süden
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