Tricontium (German Edition)
»Nein«, sagte er dennoch ehrlich. »Aber verstanden hat er mich auch nicht. Er war ein sehr vorsichtiger Mann. Er wäre nie mit zwei verletzten Händen auf einem Dach herumgeklettert.«
»Wenn Ihr das für eine Empfehlung haltet …«
»Es ist eine. Ich bin schließlich auch nicht vorsichtig.« Gjuki gab ein zustimmendes Geräusch von sich und begann, sich an Theodulfs Kragen zu schaffen zu machen.
Theodulf lächelte. »Nein, in der Tat nicht.« Ein Vorwurf hätte sich anders angehört. »Das ist wohl ein sicherer Beweis von Verwandtschaft, es sei denn, du hättest deine Unvernunft von Asri.«
Ardeija hätte gern gewusst, ob der Wechsel der Anrede eine behutsame Einladung oder eine zufällige Nachlässigkeit gewesen war. »Das ist in der Tat ein sicherer Beweis«, sagte er mit einem vorsichtigen Lachen und beschloss, mutig zu sein. »Aber wohl nicht der einzige. Du warst dir schon auf dem Brandhorst sehr sicher, mein Vater zu sein.«
»Und jetzt habe ich keine Wahl mehr, nicht wahr?« Doch Theodulf lächelte, als gefiele ihm dieser zögerliche Beginn von Nähe. »Nimm deinen Drachen zurück; genug ist genug.«
Ardeija bekam gerade noch Gjukis Schwanz zu fassen, bevor der kleine Drache sich in Theodulfs Kleidern ein bequemes Nest suchen konnte. »Daran musst du dich gewöhnen oder sehr ernsthaft mit ihm reden«, sagte er, während er den zappelnden Gjuki unter seinen eigenen Mantel schob. »Er mag dich. Doch wir waren bei etwas anderem.«
»Der Grund wird dir nicht gefallen. Willst du nicht lieber Valerian in ungetrübter Erinnerung behalten?«
»Nein.« Gjuki war so unruhig, dass seine Bewegungen Ardeija kitzelten. »Wenn er etwas angestellt hat, will ich es auch wissen. – Komm, wir gehen hier herum. Ich habe Oshelm versprochen, ihn am ›Bischof Garimund‹ zu treffen.« Er bog in eine Straße ein, die auf einen der alten Matronensteine zuführte, die in Aquae und den umgebenden Landgebieten allerorten zu finden waren.
Theodulf kam brav mit. »Nein, angestellt hat Valerian nichts. Er hat nur viel Pech gehabt. Das Gespräch kam nach deiner Gefangennahme darauf, als irgendein unschuldiger Mensch, der Valerian flüchtig gekannt hatte, bemerkte, du hättest so tapfer wie dein Vater gekämpft, woraufhin Oda ihn fragte, ob er denn wisse, wer dein Vater sei.«
»Oda aus Corvisium?«
»Ja. Wusstest du, dass Valerian einmal in sie verliebt war?«
Ardeija hatte nichts dergleichen gewusst und selbst Gjuki hielt auf einmal still, als wolle er lauschen. »In Oda ? Gerechter Gott! Das wäre nie lange gut gegangen.«
»Das ist es auch nicht.« Theodulf mochte bei dem Gedanken, dass dem Mann, den sein Sohn so lange für seinen Vater gehalten hatte, nicht viel Glück in der Liebe beschieden gewesen war, etwas wie finstere Befriedigung verspüren. »Erst mochte sie ihn wohl leiden, aber das hat sie sich aus dem Kopf geschlagen, als sie erfuhr, dass etwas mit ihm nicht war, wie es sein sollte. Er hätte kein Kind zeugen können. Es muss ihm später wie ein Geschenk erschienen sein, einer Frau zu begegnen, die bereit war, ihr ungeborenes Kind für seines gelten zu lassen.«
Ardeija schüttelte den Kopf. »Was soll das heißen, er hätte kein Kind zeugen können? Er war nicht verletzt oder sonst nicht, wie er sein sollte.«
Theodulf hob die Schultern. »Oda sagt, er sei in seiner Jugend an einem schweren Fieber erkrankt und ein Arzt habe ihm schon damals die Folgen auseinandergesetzt, ohne dass er es habe glauben wollen. Anscheinend hat er es mit so vielen Ärzten, Kräuterheilern, Zauberern und Beschwörern versucht, dass über die Sache geredet wurde. Ich habe Asgrims Arzt nach derartigen Fällen gefragt, auf dem Weg zu dir hinunter; er meinte, es könne so gewesen sein. Von da an hatte ich einen Verdacht, und ich habe dich genauer als jemals vorher angesehen, während der Arzt seine Arbeit tat und dein Freund der Dieb im Weg stand. Und dann war ich mir sicher.«
»Sehr ähnlich sehe ich dir nicht«, gab Ardeija zu bedenken.
Theodulf lachte. »Nein, da hast du Glück gehabt. Dein Gesicht hast du von Asri, aber nicht alles sonst. Hier.« Er blieb vor den Matronae Simertianae stehen und legte eine verbundene Hand auf den glatten Stein zu ihren Füßen. »Leg deine Hand daneben und sieh hin.«
Ardeija tat wie geheißen und fragte sich, warum man so selten auf Kleinigkeiten achtete, wenn man nicht mit der Nase darauf gestoßen wurde. Die Form ihrer Hände und die Länge ihrer Finger stimmten tatsächlich zu sehr
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