Tricontium (German Edition)
sollen. Aber irgendjemand hatte sich doch darum kümmern müssen, dass der Markgraf beerdigt wurde, und er hatte sich auch verantwortlich gefühlt, all jene Papiere zu vernichten, die anderen hätten zum Verhängnis werden können, und schließlich auch noch das Grab mit einer schlichten Inschrift zu versehen, weil es sich nun einmal so gehörte.
So war er länger in Tricontium geblieben, als es gut für ihn gewesen war, und wenn die Krieger des Königs, die eine halbe Woche nach der Schlacht gekommen waren, ihn damals auch noch nicht gefangen genommen hatten, so war er doch gesehen worden und nur mit der Hilfe einiger Barsakhanensöldner, die ebenfalls bis zuletzt ausgehalten hatten, noch einmal davongekommen. Er hatte jedenfalls schon lange vor dem Morgen, an dem man ihn auf der Straße zwischen Aquae Calicis und Padiacum aufgegriffen hatte, geahnt, dass alles nicht gut gehen würde. Für mehrere Monate war er in Aquae festgehalten worden, was noch halbwegs zu ertragen gewesen war; dann aber hatte man wohl in Mons Arbuini mehr Leute gebraucht, ein rasches Urteil gesprochen und ihn und ein paar andere Unglückliche in die Steinbrüche geschickt. Seitdem war alles von Tag zu Tag entsetzlicher geworden, und wenn Wulfs Freundschaft auch in gewissem Maße half, war Oshelm sich doch bewusst, dass die schützende Gegenwart eines Verbündeten nichts war, worauf er sich auf Dauer verlassen konnte.
Einige Wochen lang ging aber alles gut und Oshelm nahm schon fast an, dass er den Winter leidlich unbeschadet überstehen würde, doch wie immer, wenn er es sich gestattete, nicht mit dem Schlimmsten zu rechnen, trat selbstverständlich das Schlimmste ein, als hätte es nur auf ein Nachlassen seiner Wachsamkeit gewartet.
An dem Tag, als der erste Schnee fiel, ging es Wulf gegen Abend nicht gut. Am nächsten Morgen hatte er Fieber und die beiden Wachen, die die Tür aufschlossen, waren sich einig, dass er zu krank war, um zu arbeiten. Das war angesichts der berechtigten Zweifel, die sie gewöhnlich an jeder vorgeblichen Erkrankung hatten, schon viel, doch was Oshelm noch besorgter machte, war der Umstand, dass Wulf ihnen durchaus zuzustimmen schien, nachdem er noch am Vorabend behauptet hatte, er würde sich sicher bald erholt haben.
Sobald Oshelm allein unter den anderen war, wurde die Sorge um seinen Freund allerdings von der bösen Vorahnung überlagert, dass nun, da er erst einmal auf sich gestellt war, notwendigerweise etwas Fürchterliches geschehen würde. Doch anscheinend hatte es sich herumgesprochen, dass Wulf weder tot noch freigelassen, sondern nur vorübergehend erkrankt war; bis auf einige unfreundliche Bemerkungen, die in seiner Anwesenheit vielleicht unterblieben wären, wurde Oshelm zunächst in Frieden gelassen.
Die Arbeit in den eigentlichen Steinbrüchen war durch den Frost zum Erliegen gekommen, doch das hieß nicht, dass es nicht genug zu tun gab. Oshelm fand sich damit beauftragt, Holz für die Küche zu spalten, und es war ein trauriges Wissen, dass man ihm nicht zutraute, mit einem Beil in der Hand auf dumme Gedanken zu kommen. Wahrscheinlich hätte er aber damit ohnehin wenig Böses anrichten können; er hatte den leisen Verdacht, dass die Arbeit schneller vorangegangen wäre, wenn er und der Krieger, der ihn im Auge behielt, die Plätze getauscht hätten. Dennoch tat er sein Bestes und schob jeden Gedanken daran, was man ihm erzählen würde, wenn bis zum Abend nicht genug erreicht war, und an die Schläge, mit denen er zu rechnen gelernt hatte, weit fort.
Als gegen Mittag eine Pause eingelegt wurde, musste das Eis auf dem Wasserfass erst zerbrochen werden. Oshelm wartete, zu müde, ungeduldig zu sein, und war eben damit befasst, darüber nachzugrübeln, wie erbärmlich das Leben sein würde, wenn der Winter noch kälter wurde, als auf einmal Aslak vor ihm stand. Er hatte den Pferdedieb nicht herankommen hören und war schon einen Schritt zurückgewichen, bevor er sich daran erinnerte, dass Wulf ihm geraten hatte, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen.
Es war zu spät, jetzt noch etwas daran zu ändern; Aslak wusste genau, dass sein Auftritt seine Wirkung nicht verfehlt hatte. »Fürchtest du dich, so allein ohne deinen Beschützer, kleiner Schreiber?«
Oshelm richtete sich straffer auf, als hätte das seinen vorherigen Fehler noch wiedergutmachen können. »Ich bin nur überrascht, dich zu sehen«, sagte er, stolz darauf, dass seine Stimme fest klang. »Ich war in Gedanken.«
»In Gedanken,
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