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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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tausend Scheußlichkeiten auszumalen, bevor er erfuhr, was nun mit ihm geschehen sollte.
Er versuchte, in dem narbenübersäten Gesicht zu lesen, doch die grünen Augen, die unverwandt auf ihn gerichtet waren und jünger als der Rest des Mannes wirkten, verrieten nichts, und er kannte den Hauptmann nicht gut genug, um diese Abwesenheit jeglicher sichtbaren Regung deuten zu können. Aus dem, was er in den vergangenen Wochen hier und da aufgeschnappt hatte, hatte er sich nur zusammenreimen können, dass Gero irgendwann zugleich mit seinem Schwertarm auch seinen Herrn verloren hatte und dass es der Gefallen irgendeines alten Freundes gewesen war, ihm den Befehl über Mons Arbuini zu verschaffen, doch Oshelm wusste nicht, ob das den Hauptmann bitter genug gemacht hatte, nun Vergnügen daran zu finden, seine Macht auszuspielen und andere leiden zu lassen. Doch weshalb sonst hätte er dieses Gespräch hinauszögern sollen?
    Oshelm hatte sich schon so sehr darauf eingestellt, noch weiter warten zu müssen, dass er zusammenfuhr, als Gero doch noch eine Frage stellte, keine, die Oshelm erwartet hatte.
    »Wie geht es Wulf?«
    Er sprach leise, noch nicht einmal besonders fordernd, doch Oshelm brachte keine Antwort heraus. All seine Vertrautheit mit Verhandlungen und klug geführten Unterredungen hatte ihn auf dieses seltsame Spiel nicht vorbereitet.
    »Ich habe dich gefragt, wie es Wulf geht«, wiederholte der Hauptmann. »Dem Mann, mit dem du eine Zelle teilst. Wie geht es ihm?«
    Es gefiel Oshelm überhaupt nicht, dass er Sinn und Zweck dieser Vorgehensweise immer noch nicht begriff. »Er ist krank«, sagte er schließlich.
    Der Hauptmann schüttelte den Kopf. »Das weiß ich selbst. Geht eine genauere Beschreibung seines Zustands über deine Fähigkeiten hinaus?«
    »Er tut nicht nur so, falls es das ist, was Ihr meint«, entgegnete Oshelm eilig; was, wenn nicht ein solcher Verdacht, hätte die Neugier des Hauptmanns erklären sollen?
    Der Hauptmann war nicht erfreut. »Es steht dir nicht an, mir etwas zu unterstellen. Beantworte nur meine Fragen.«
    Oshelm nickte gehorsam. »Er ist krank«, sagte er noch einmal, »und heute Morgen war er sehr schwach.«
    »Das kann viel heißen. Braucht er einen Arzt?«
    Oshelm fragte sich, wann Aslak und der Vorfall, der ihn überhaupt erst hergebracht hatte, endlich erwähnt werden würden. »Ich weiß es nicht.« Ein geheiztes Zimmer mit Fenstern, ein gutes Bett mit mehreren Decken, Tee und Fleischbrühe wären in jedem Fall nützlicher gewesen als die Hilfe des übellaunigen alten Mannes, der sich um die Kranken von Mons Arbuini kümmerte und sich selbst einen Medicus nannte, obwohl er angeblich nur in seiner Jugend der Gehilfe eines Wundarztes gewesen war. Aber diese Einschätzung wäre wohl über eine Beantwortung der Frage abermals hinausgegangen.
    Der Hauptmann warf den Federkiel, mit dem er bis eben gespielt hatte, auf den Tisch. »Bist du eigentlich jemals zu irgendetwas nütze? Wenn du eine Arbeit tun sollst, muss man nachher zwei andere schicken, die wieder in Ordnung bringen, was du angerichtet hast. Wenn du die Schwere einer Krankheit einschätzen sollst, bist du dazu nicht imstande, und du kannst noch nicht einmal jemanden anständig umbringen. Wenn du Aslak das nächste Mal niederschlägst – wohlverstanden, das wirst du nicht tun! –, dann achte gefälligst darauf, dass er sich den Hals bricht, statt sich nur den Kopf zu stoßen!«
    Es war eigenartig, über einen Tadel fast erfreut zu sein, und vielleicht noch eigenartiger, sich zu freuen, dass Aslak noch lebte, aber Oshelm ertappte sich dabei, zu lächeln. »Er ist nicht tot, ja?«
    Gero verzog das Gesicht. »Nein, leider. Aber warum du darüber erleichtert bist, verstehe ich beim besten Willen nicht. Wenn er wieder auf den Beinen ist, wird er dir umso lieber beweisen, dass du nichts als ein armseliger Wicht bist, der sich hinter Wulf versteckt, wann immer er nur kann.«
    Ein kalter Luftzug drang in den Raum, als die Tür zum Hof geöffnet wurde und irgendjemand ins Zimmer trat. Oshelm wagte nicht, sich umzusehen, um festzustellen, wer gekommen war, doch es war ganz offensichtlich kein Krieger oder Diener, denn Gero stand auf und nickte zum Gruß, hob aber zugleich die Hand, wie um den Besucher zu bitten, sich noch eine Weile zu gedulden.
    »Ich nehme an, du wolltest ihn nicht einmal ohnmächtig schlagen?«, erkundigte er sich.
    Oshelm begann zu hoffen. »Nein, und es war noch nicht einmal viel Absicht dabei, dass ich

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