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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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die Richterin ungerührt und genoss den Ausdruck auf dem Gesicht ihres Hauptmanns, der sich nur sehr vorsichtig hinter Oshelm in die Kanzlei wagte. Gjuki seinerseits schien nicht von großer Geisterfurcht ergriffen zu sein; er zirpte vergnügt und ließ sich von Ardeijas Schulter zu Boden gleiten, um auf die Suche nach den Leges et constitutiones zu gehen.
    Malegis war in der Tür stehen geblieben. »Wenn sie in ferner Zukunft einmal Lieder auf Euch singen, werden sie Euch ›Herrad die Furchtlose‹ nennen – oder vielleicht ›Herrad, die der Rabenkönig liebte‹«, sagte er und schien sehr mit sich kämpfen zu müssen, um seine um ein Knochenamulett gekrampften Finger wieder zu öffnen und Ruhe zu heucheln. »Was Ihr da getan habt, tut man nicht ungestraft ohne höheren Beistand oder sehr viel Glück. Wisst Ihr beispielsweise, wer jetzt gerade neben Euch steht? Da, keine Handbreit von Euch entfernt, ist der Geist des Lucius Licinius Laetus, des schlimmsten Propraetors, den Aquae je ertragen musste. Man sagt, dass eine Verschwörung seiner eigenen familia ihn das Leben gekostet hat, weil selbst sein Haushalt sich seiner nicht mehr anders zu erwehren wusste.«
    Herrad sah in die Richtung, in die Malegis gedeutet hatte, und konnte nichts als leere Luft erkennen. » Salve, Laete !«, sagte sie dennoch. »Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen. Ihr werdet sehen, dass ich ein freundlicher, umgänglicher Mensch bin und gern mit allen gut auskomme, ganz gleich, welche Gerüchte ich über sie gehört haben mag. Entschuldigt mich nun. Ihr seht ja, dass viel Arbeit auf mich wartet. – So, Herr Malegis. Ihr wolltet mit mir gewiss nicht über Laetus sprechen. Weshalb seid Ihr hier?«
    Doch ihre Frage blieb unbeantwortet. »Da ist wirklich ein Geist?«, erkundigte sich Otter und sah fast noch unglücklicher darüber aus als Oshelm und Ardeija, die alle beide verdächtig nahe bei der Tür zur Treppe standen.
    »Einer, der sich sehen lässt«, erklärte der Magus. »Aber es verstecken sich noch mehr in den Ecken und Wänden, nicht allein Totengespenster, sondern auch die Schutzgeister dieses Ortes. Und es ist kein guter Ort hier. Aber Laetus ist wohl der frechste der ganzen Bande und … Ach, was rede ich hier eigentlich lange?«
    Mit einer raschen Bewegung hob er Gjuki auf, der sich mittlerweile bequem auf dem Gesetzbuch zusammengerollt hatte, kraulte dem kleinen Drachen den Bauch und flüsterte ihm etwas ins Ohr, bevor er mit einem fast beiläufigen Winken die Kerze auf dem Schreibtisch, die kleinen Öllämpchen und die Glut des Kohlenbeckens zum Verlöschen brachte. Kurz lag die Dunkelheit des hereinbrechenden Novemberabends in der Kanzlei, bevor eine Flamme aus Gjukis Maul steil nach oben schoss. Sie war binnen weniger Augenblicke wieder verschwunden, doch die winzige Zeitspanne hatte ausgereicht, schemenhaft einen hochgewachsenen, kahlköpfigen Mann sichtbar werden zu lassen, der in weißer Tunika gleich neben Herrads Stuhl stand und eine oberflächliche Ähnlichkeit mit Magister Paulinus aufwies. Dann war der Zauber vorüber; die gewöhnlichen Lichter flackerten wieder auf und Malegis setzte Gjuki ab. »Seht Ihr? Ich scherze nicht, wenn ich von Geistern spreche, Frau Herrad. Ihr werdet meinen Rat nicht wollen, aber vergesst nicht, dass Euer neuer Freund dort zu Lebzeiten kein guter Mensch war und Euren Tee so wenig verdient hat wie Eure freundlichen Worte.«
    »Es kommt mir nicht zu, ein Urteil über einen Mann zu fällen, der sich selbst dann nicht verteidigen könnte, wenn sein Fall nicht längst verjährt wäre«, erwiderte die Richterin. »Bisher weiß ich nur aus zweiter und offensichtlich parteiischer Hand, dass er Feinde im eigenen Haus hatte und dass seine Amtsführung wohl nicht unumstritten war.«
    Wahrscheinlich war es nur Einbildung, doch schien es ihr fast, als spüre sie ein anerkennendes Schulterklopfen.
    Malegis dagegen sah sie mitleidig an. »Wenn Ihr Euch weiter so bei ihm lieb Kind macht, wird er sich Euch sicher bald gern zeigen. Dann könnt Ihr ihn ja fragen, was er zu den Vorwürfen zu sagen hat.«
    »Wie, ›zeigen‹?«, fragte Ardeija, der sich wahrscheinlich überhaupt nur in den hinteren Kanzleiraum vorgetastet hatte, um sich zu überzeugen, dass sein Drache unbeschädigt geblieben war. »Ich dachte, Geister wären nur nahe bei dem Ort zu sehen, an dem sie gestorben sind, wie Fürst Gudhelm?«
    Die Miene des Zauberers wurde womöglich noch eine Spur herablassender. »So mag es Gudhelm

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