Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
Vom Netzwerk:
hatte bis zuletzt wider besseres Wissen gehofft, dass der Kelch heute an ihm vorübergehen würde.
    Kurz zog er in Erwägung, Maurus vorzuschicken, aber das wäre feige gewesen; er würde sich früher oder später ja doch daran gewöhnen müssen, unter Wulfilas Blick zu tun, wofür ihn sein Freund vielleicht verachten würde.
    Noch schlimmer war allerdings, dass Rambert dabei war. Im Grunde Verständnis für etwas zu haben war etwas anderes, als zusehen zu müssen, und Ardeija wusste, dass es ihm wehtun würde, wenn das Mädchen später deshalb vor ihm zurückscheute.
    Er suchte Rambert mit den Augen, während Maurus das Eisen im Feuer erhitzte; sie stand sehr aufrecht auf ihrem Platz neben der Kanzleitreppe und sah ihn an, als dächte sie an Theodulfs Lehre, dass ein Krieger keine Angst haben dürfe.
    Ardeija wünschte sich, er hätte sich selbst daran halten können, doch er war noch nicht einmal furchtlos genug, jetzt zu Wulfila hinüberzusehen.
    Aber niemand schien ihm anzumerken, dass ihm alles schwerer fiel als sonst, denn Adela reichte ihm, als wäre nichts, mit irgendeiner munteren Bemerkung den Handschuh, der ihn davor schützen würde, sich selbst die Finger zu verbrennen, während Medardus die Mischung aus Ruß und Öl vorbereitete, die in die Wunde gerieben werden musste, um das Brandmal zu schwärzen und die Narbe gut sichtbar bleiben zu lassen.
    Das Warten auf den rechten Zeitpunkt schien sich diesmal quälend lang hinzuziehen, doch dann, als die Krieger auf Ardeijas Wink rasch zugriffen, um den Verurteilten niederzuhalten, und dieser die Augen schloss, als könne es die Strafe weniger schlimm machen, wenn er sie nicht gleich sah, ging alles wie immer sehr schnell.
    Ardeija war geübt genug, um während der wenigen Augenblicke, auf die es ankam, das Brandeisen ruhig und sicher zu handhaben, doch als er es danach zum Abkühlen in den bereitgestellten Wassereimer senkte, fühlte er sich unendlich müde und elend, und nicht, weil es ihm um den Fälscher sehr leidgetan hätte, der sich krümmte und Ardeija, die Richterin und die ganze Welt verfluchte. Er wäre nur gern vor Rambert der Held gewesen, als den Wulfila ihn Wulfin geschildert hatte, nicht der Mann, der er nun einmal war und der dafür sorgen musste, dass Verbrecher bekamen, was sie verdienten.
    Deshalb war er dankbar, erst den Fälscher zurück in seine Zelle schaffen lassen zu müssen, als Frau Herrad die übliche Pause anberaumte, und stieg, als alles erledigt war, nur zögerlich die Kanzleitreppe hinauf. Er wäre lieber unten bei seinen Kriegern geblieben, als sich der kleinen Versammlung oben anzuschließen.
    Einer wenigstens war ihm nicht mehr böse: Gjuki kam ihm schon auf der Treppe entgegen und schien seinen Zorn vom Morgen verwunden zu haben, vielleicht auch, weil, wie seine nicht ganz saubere Schnauze anzeigte, inzwischen das Mittagessen eingetroffen war.
    »Wo bleibt Ihr denn?«, rief die Richterin Ardeija entgegen. »Wenn Ihr noch etwas abhaben wollt, müsst Ihr Euch beeilen, ich bin nämlich hungrig!«
    In der Tat hatte sie sich bisher noch von keiner Gerichtssitzung den Appetit verderben lassen; auch jetzt lehnte sie mit einer angebissenen Teigtasche in der Hand an der Fensterbank und sah sehr zufrieden mit sich und dem Verlauf ihres Tages aus.
    »Wenn Ihr Euren Anteil nicht wollt, könnt ihr ihn gern mir geben«, fügte Oshelm hinzu, der sich eben genüsslich die Finger ableckte und ebenfalls guter Laune zu sein schien. Der neue zweite Schreiber hatte sich wohl bewährt und ihm Arbeit abgenommen.
    Wulfila sagte kein Wort, aber das konnte alles und nichts heißen, da es wahrscheinlich schwer gewesen wäre, viel zu sprechen, wenn man den Mund voll Teig und einer nach Kräutern duftenden Füllung hatte.
    »Hat der Gefangene Schwierigkeiten gemacht?«, fragte Herrad, während ihr Hauptmann so lustlos zu essen begann, wie man es angesichts von Wulfs Kochkünsten bleiben konnte.
    Ardeija hob die Schultern. »Nicht mehr als sonst auch. – Es tut mir leid, dass es kein schönerer Tag geworden ist, Rambert.«
    Die stille kleine Gestalt, die sich in eine Ecke verzogen hatte und mit ihrer Teigtasche noch nicht weit gelangt war, hatte ihm schon bei seinem Eintritt Sorgen gemacht.
    Rambert sah ihn ernst aus zu erwachsenen Augen an. »Ich habe nicht weggesehen, Herr Ardeija«, sagte sie, als hoffe sie auf Bestätigung, »es war nicht schön, aber ich habe nicht weggesehen.«
    »Da bist du tapferer, als ich es war, als ich so etwas zum ersten

Weitere Kostenlose Bücher