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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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nur einen flüchtigen Gruß zu, bevor er ins vordere Zimmer weiterging.
    Der kleine Altar neben der Tür, die in Herrads Schlafzimmer führte, war sehr schlicht und Wulfila hatte Herrad nie davor beten sehen, aber sie hatte dort noch am Abend ihrer Rückkehr aus Tricontium ihre kleine Statue des heiligen Nikolaus von Myra wieder aufgestellt, von dem man sagte, dass er unter anderem die Richter beschützte. Auch gab es ein abgenutztes, grünes Gebetskissen, das neben einer im Augenblick unbenutzten Öllampe und einer bestickten Decke, die vielleicht an Feiertagen über die Altarplatte gebreitet werden sollte, in einer Wandnische verwahrt wurde, aber Wulfila wagte es nicht, es sich einfach auszuleihen, sondern kniete auf den kühlen Bodenfliesen nieder, nachdem er seine Kerze entzündet hatte.
    Er war noch damit beschäftigt, dem lieben Gott ausführlich auseinanderzusetzen, dass er zwar eigentlich wisse, wie wenig sich Gebete gehörten, die Eingriffe in den freien Willen eines anderen bewirken sollten, in diesem Fall aber dennoch für derartigen himmlischen Beistand sehr dankbar wäre, als Herrad nach Hause zurückkehrte.
    Sie bemühte sich redlich, ihn nicht zu stören, aber angestrengt leise Schritte auf dem Weg zur Küchentür hinüber waren so wirkungsvoll wie jede lautere Ablenkung und Wulfila sah sich doch nach der Richterin um, obwohl er sein Gebet eigentlich nicht hatte unterbrechen wollen.
    Es war nicht schön, sie von unten herauf betrachten zu müssen, und so beeilte er sich, auf die Beine zu kommen. »Ich hoffe, ich durfte die Kerze hier anzünden. Ich wollte Wulfin nicht zumuten, noch lange in der Kirche auf mich warten zu müssen.«
    »Natürlich«, sagte Herrad und kam, ihre nur unzureichend verpackte Pastete in beiden Händen, näher heran, um sich das kleine gefärbte Talglicht in Ruhe zu besehen. »Und er freut sich bestimmt.« Sie nickte zu der Heiligenstatue hinüber.
    Wulfila lächelte schief. »Das ist der heilige Nikolaus, nicht wahr?«
    Herrad nickte. »Ja. Er beschützt alle Richter.«
    »Man sagt auch, dass er Diebe zu besseren Menschen macht.«
    Herrads Gesicht wurde weich. »Komm her, kleiner Dieb.« Sie streckte eine Hand nach ihm aus, um sie dann doch erst an ihrem Mantel abzureiben, als sie bemerkte, wie fettig ihre Finger waren. »Du hast es gar nicht nötig, ein besserer Mensch zu werden.«
    »Ich sollte wohl zumindest angesichts dessen Besserung geloben, dass ich neulich auf der Burg im Kampf Mars ultor angerufen habe«, gestand Wulfila weniger reuevoll, als er es wohl hätte sein sollen. »Aber dafür ist die Kerze nicht.«
    Herrad fragte nicht weiter nach, sondern wartete ab, ob er ihr von sich aus erklären würde, was es damit auf sich hatte.
    Wulfila tat ihr den Gefallen. »Sie ist dafür, dass mein Vater zurückkommt.«
    »Meinst du denn, dass Otachar oder seine Leute ihm etwas tun werden? Er kann doch eigentlich gut auf sich aufpassen.«
    »Tun werden sie ihm schon nichts … Aber was, wenn Otachar ihn bittet , dazubleiben?«
    »Und ihm eine Aufgabe anbietet, die besser wäre, als für mich zu kochen, meinst du das?«
    »Ja. Er wird gute Leute brauchen, wenn er die Tricontinische Mark wieder instand setzen soll, oder auch sonst, wenn er sich nur auf irgendeinem Besitz jenseits der Grenze einrichtet. Und meinen Vater wollte er schon immer haben. Er hätte ihn gern aus Herrn Bernwards Diensten abgeworben, und wenn daraus nichts geworden ist, so nur, weil Otachar meiner Mutter nicht genug hätte bieten können. Zwei neue Leute sind schwerer unterzubringen als ein einzelner Mann, ganz abgesehen davon, dass Bernward sie wohl nicht beide zugleich hätte gehen lassen.«
    Das alles war lange vor dem Krieg gewesen, als Signe noch gelebt hatte und niemand auch nur hatte ahnen können, dass Bernward Wulf einmal so bereitwillig opfern würde.
    »Dein Vater wäre damals gern zu Otachar gegangen, wenn die Bedingungen günstiger gewesen wären?«, fragte Herrad leise.
    Wulfila beobachtete das Tanzen des kleinen Flämmchens. »Ja. Bernward hat er lange geachtet, bis es dann zu spät war, aber Otachar mochte er. Wenn er nun geht, wird er mir sehr fehlen. Aber ich bin zu alt, so etwas zu sagen, nicht wahr?«
    »Nun rede nicht so!«
    Doch Wulfila wollte genau so reden; es war gut, jemanden zu haben, der zuhörte und einem dabei die Hand hielt. »Außerdem wäre ich ständig in Sorge um ihn, da Otachar ja nicht in Ehren wieder eingesetzt, sondern allenfalls vorerst geduldet wäre. Es kann alles

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