Tricontium (German Edition)
wirklich nur ein Gericht und sonst nichts anvertrauen«, sagte Justa milde, »noch immer so geradeheraus und ehrlich … Natürlich kann ich Otachar nicht wieder zum Markgrafen machen. Nach außen hin werde ich keinerlei Umgang mit ihm pflegen! Ich kann ihm aber zusichern, ihm zu dieser Seite hin den Rücken freizuhalten, falls er auf den Gedanken kommen sollte, sich selbst zum Fürsten von Tricontium zu machen und im Zuge dessen die Grenzlande etwas sicherer zu gestalten, als sie es bisher waren.« Sie lächelte beinahe so genüsslich, wie sie es sonst tat, wenn sie einen schönen Jüngling vor sich hatte. »Wir werden es bald nicht mehr mit Gundulf zu tun haben, der glaubte, mit harter Hand seine Macht sichern zu können. Wohin ihn das geführt hat, ist nun offensichtlich, auch für seinen Nachfolger, ganz gleich, ob der ein mühsam gesichertes Ganzes oder nur ein erbärmlich kleines Teilreich unter sich hat. Wenn vor einem solchen König, der vorsichtig sein muss, eine Vögtin, ein Graf und ein Fürst beschwören, von Otachars Vorgehen überrascht worden zu sein, es aber so gut wie möglich eingedämmt zu haben, ohne einen Krieg herauszufordern, der jetzt allen Seiten nur schaden könnte, dann wird das für einige Zeit so hingenommen werden, und wenn diese Duldung nur lange genug anhält, dann werden die Leute vergessen, dass nicht von Anfang an alles seine Richtigkeit hatte. Ich werde Otachar wissen lassen, dass ich bereit bin, insgeheim Geiseln mit ihm auszutauschen, und ansonsten darauf vertrauen, dass er nach Jahren in unwürdiger Gefangenschaft nicht zu übermütig ist. Die Schwierigkeit besteht nur darin, sein Vertrauen überhaupt so weit zu gewinnen, dass er sich auf Verhandlungen einlässt, denn er hat keinen Grund, uns für unverdächtig zu halten.«
Justas kühnes Vorhaben klang etwas besser als die Einzelheiten dessen, was Asgrim und Ebbo vorgeschwebt hatte, und so entschloss sich Herrad, ihren Teil dazu beizutragen. »Wenn wir ihm die richtigen Boten senden, wird er zuhören. Und ich habe solche Boten, denen er vertrauen wird und denen ich vertrauen kann, ganz abgesehen davon, dass es sich für ihn nicht lohnen würde, sie als Geiseln zu nehmen; sie sind unbedeutend, aber er kennt sie.«
Oshelm würde nicht erfreut sein, schon wieder auf eine Reise geschickt zu werden, aber er würde mitgehen, wenn Wulf sich bereiterklärte, Otachar eine entsprechende Nachricht zu überbringen.
»Gut«, sagte Justa, die nie viel Zeit benötigt hatte, um Entscheidungen zu fällen, »dann halte deine Boten morgen bereit.«
»Morgen? Wissen wir überhaupt, wohin genau wir sie schicken müssen?«
Justa setzte sich wieder hin und griff nach ihrer Teeschale. »Ich weiß, wo Otachars Verwandtschaft sich aufhält, und die guten Leute werden ihrerseits schon wissen, wo sie ihn auftreiben können, wenn er nicht ohnehin bei ihnen ist.«
40. Kapitel: Eine Entführung
Die Arbeit im Praetorium begann am nächsten Morgen spät und nur langsam. Nach den Belastungen des Gerichtstags und der Aufregung, die Placidia Justas Ankunft hervorgerufen hatte, war niemand ganz wach – Herrad, die über ihrem Schreibtisch einschlief, nachdem sie den Bericht der Nachtwache angehört hatte, wahrscheinlich noch weniger als alle anderen. Wulfila bemühte sich redlich, sie nicht zu stören, während er die Notizen vom Vortag in Reinschrift brachte und alles so ordnete, wie Oshelm es ihm erklärt hatte. Als die Richterin endlich am späten Vormittag wieder die Augen öffnete, ohne sehr erholt zu wirken, kochte er ihr Tee.
»Sie müssen jetzt im Kranichwald sein«, bemerkte er, während er die Schale für Laetus und die anderen Geister abfüllte, und meinte seinen Vater und Oshelm, die schon in aller Frühe aufgebrochen waren. »Wenigstens haben sie brauchbares Reisewetter.«
»Schlechtes Wetter und ein zugänglicher Otachar wären ihnen sicher lieber als Sonnenschein und Ungewissheit«, sagte Herrad. »Mir auch. Ich will einen ruhigen Winter. Aber bis ich den bekommen kann, ist Tee übergangsweise auch ganz gut.«
Sie war ganz offensichtlich nicht in der Stimmung, ausführlicher über Otachar und alles, was mit ihm zusammenhing, zu sprechen, und Wulfila verschloss seine eigenen Sorgen und Bedenken, die weniger mit Justas Plan an sich als mit seinem Vater zusammenhingen, in seinem Herzen.
Auch Ardeija, dem er wenig später Tee brachte, war nicht sehr redefreudig. Selbst der Dank, den er über fünf Stricknadeln hinweg murmelte, klang eher
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