Tricontium (German Edition)
so leicht wieder umschlagen. Und dann …«
Er sprach nicht weiter; Herrad wusste so gut wie er, dass er an Mons Arbuini dachte, auch wenn er ihr nicht in Einzelheiten aufzählte, was ihm angesichts dieser Furcht wieder ins Gedächtnis zurückkehrte, die schlimmen ersten Wochen nach der Befreiung seines Vaters, die sorgsamen Auslassungen in seinen Berichten über alles, was damals vorgefallen war, und das erinnerungsschwere Schweigen, in das Wulf manchmal heute noch verfiel, wenn er zu müde war, sich zu verstellen.
»Ich habe Angst, dass es wieder so endet«, bekannte Wulfila, ohne Herrad ins Gesicht zu sehen, »denn vernünftig ist er eigentlich nur im Kleinen, nie in solchen Dingen.«
Herrad drückte seine Hand noch fester. »Blaue Kerzen sind gut«, verkündete sie, »sehr wirksam; das hat schon meine Mutter gesagt. Und wenn von der Seite doch keine Hilfe kommt, dann … Dann kannst du gern anderen Beistand suchen.«
»Anderen Beistand suchen?«
»Du hast gerade gesagt, dass du das schon einmal getan hast.« Herrad lächelte leicht. »Wenn du also meinst, dass Mars hier vertreten sein sollte, tu dir keinen Zwang an. Der Töpfer, der seine Werkstatt neben dem ›Grünen Keiler‹ hat, verkauft nebenher auch Götterfigürchen.«
»Du willst Mars auf einen christlichen Altar stellen, in dieses Zimmer hier, wo alle Besucher ihn sehen können?«
»Nein, ich brauche Mars nicht unbedingt hier. Aber da ich nach allem, was gewesen ist, schon nahe daran war, zu dem besagten Töpfer zu gehen und einen der kleinen Rabenkönige mitzunehmen, die er ebenfalls verkauft, stört es mich nicht, wenn du Mars aufstellen willst. Vielleicht hat er ja einen günstigen Einfluss auf die Entscheidungen alter Krieger.«
Sie sahen beide die kleine Statue des Heiligen an, der sich nicht dazu äußerte, ob er sich nach Gesellschaft sehnte, aber mild genug dreinblickte, um hoffen zu lassen, dass er weder einen Raben noch einen Römergott vom Altar stoßen würde.
»Das hier ist schon ein frommes Haus, nicht wahr?«, sagte Wulfila schließlich.
Herrad lachte. »Ja. Ein sehr frommes Haus. Doch darüber sollten wir unsere Pastete nicht noch kälter werden lassen, denn …«
Diese Hinwendung zu weltlichen Dingen schien irgendjemandem unter den zahlreichen höheren Mächten, von denen sie gesprochen hatten, nicht sehr zu behagen, denn es klopfte vernehmlich an der Haustür, bevor die Planung des Abendessens weiter gedeihen konnte.
Herrad murmelte etwas sehr Unfreundliches über Leute, die einen um diese Zeit noch zu stören wagten, und ging selbst zur Tür, die Pastete noch immer in der Hand, als wolle sie den Besucher sofort sehen lassen, dass er sie vom Essen abhielt und daher höchst unwillkommen war.
Auf den Stufen vor der Tür stand Asri, Rambert an der Hand und so zerzaust, wie Wulfila sie noch nie gesehen hatte. Obwohl ihr Gesicht unbewegt war, sprach das dafür, dass etwas nicht war, wie es sein sollte.
»Man tritt nicht vor einen großen Khan, als hätte man gerade die Ziegen gemolken«, hatte sie früher stets gesagt, wenn Gudhelm sie hatte zu sich rufen lassen, um einen neuen Auftrag oder den Fortgang irgendeiner Arbeit zu besprechen, und Wulfila konnte sich nicht vorstellen, dass sie es mit der derzeitigen Herrin ihres Sohnes gewöhnlich anders hielt.
»Frau Asri?«, fragte Herrad verwundert und legte die Pastete nun doch auf der Truhe neben der Tür ab.
»Ich habe dem Hochgericht eine Anklage vorzutragen«, sagte Ardeijas Mutter ohne Gruß und weitere Einleitung. »Ich klage Asgrim vom Brandhorst an, mit einigen Kriegern seinen früheren Schwertmeister gegen dessen Willen aus meinem Haus entführt und die Entführung dieses Mädchens hier beabsichtigt zu haben; fernerhin hat er mich bedroht und meine hintere Haustür so beschädigt, dass sie unbrauchbar geworden ist.« Sie sah zu Wulfila hinüber. »Du bist mein Zeuge, dass ich diese Anklage in aller Form der hohen Richterin von Aquae vorgetragen habe, so schnell es mir nach dem Verbrechen möglich war.«
Herrad trat stumm zurück, um die Tür freizugeben; Asri und Rambert kamen, noch immer Hand in Hand, herein.
»Weiß Ardeija das alles?«, fragte Wulfila. Wenn sein Freund von diesen Vorgängen schon unterrichtet war, stand er wahrscheinlich mittlerweile vor Asgrim und war dabei, herauszufinden, in wie viele Stücke man einen Fürsten hauen konnte, bevor entweder seine Leute einschritten oder das Schwert stumpf wurde.
Asri nickte. »Er ist zur Burg gegangen, in
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