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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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working
,
promising
,
everything you never asked for.
Ludwig machte ein Bild von Tabori.
    »Ludwig und Tabori«, verlangte der Junge wieder.
    »Später.« Ludwig schoss ein weiteres Foto. »Erst einmal nur Tabori. Du bist ein Popstar.«
    »Ich … nicht Popstar.«
    »Doch, du spielst Gitarre. Du bist Musiker. Du bist ein Popstar.«
    Promising everything you never asked for. And one day it’ll be too late
,
sang Taboris Lieblingsband. »Ich … bald … Popstar!«
    »Auch gut!« Ludwig betätigte erneut den Auslöser. »Dann wirst du eben
bald
ein Popstar sein. Aber dazu solltest du besser nicht wie ein Kartoffelsack dastehen.«
    »Kartoffelsack?«
    »Wie ein … ein … Ich meine, du weißt doch bestimmt, wie die Jungen von Tokio Hotel auf der Bühne stehen?«
    Tabori wehrte kopfschüttelnd ab.
    »Jetzt trau dich schon.«
    Aber Tabori wollte nicht.
    »Du bist doch kein kleines, schüchternes Kind mehr. Außerdem siehst du viel besser aus als Bill.«
    »Du lügst.«
    »Warum sollte ich das tun?«
    Darauf wusste Tabori nichts zu erwidern.
Scream ’til you feel it. Scream ’til you believe it.
Er fasste sich ein Herz und warf sich in Pose, so wie er es am Morgen vor dem Spiegel schon getan hatte.
    »Jetzt von links!«
    Tabori machte eine Drehung.
    »Und von rechts.«
    Je länger er posierte, umso leichter fiel es Tabori, und desto mehr Spaß machte es ihm auch. Währenddessen sprang Ludwig um ihn herum und fotografierte wie besessen. Von den schnellen Bewegungen verrutschte der Bademantel, sodass sein Penis entblößt wurde. Tabori wollte ihn darauf hinweisen.
Ich dachte eigentlich
,
du bist schon ein großer Junge.
Er ließ es bleiben.
    Anschließend verband Ludwig die Kamera über ein Kabel mit dem Computer. Wie von Zauberhand herübergeschoben, tauchten die Bilder einige Sekunden später auf dem Monitor auf. Einige zeigten Tabori in reichlich albernen Posen, auf anderen gefiel er sich sogar besser als am Morgen vor dem Spiegel, als er allein gewesen war.
    »Wie ein Popstar!«, sagte Ludwig bewundernd und schrieb schnell ein paar Zeilen. »Nur noch eine E-Mail verschicken.«
    Tabori verstand nicht, ließ ihn aber gewähren. Mit der Gitarre setzte er sich aufs Bett und zupfte beliebige Saiten. Aus den Tönen kristallisierte sich die Melodie von
Povijn ’krushqi
heraus. Leise begann Tabori zu singen.
    Ludwig ließ sich an seiner Seite nieder. Wie am Vorabend wiegte er den Kopf andächtig im Takt des Liedes. Je länger Tabori sang, umso mehr gewann seine Stimme an Festigkeit. Inzwischen hatte er sogar Spaß daran, vor Publikum Musik zu machen, auch wenn das Publikum nur aus einer Person bestand. Tabori fühlte sich wie ein richtiger Musiker.
    Mit einem Mal glaubte er auch zu begreifen, was ihm die Strophen über Glück, Wärme und Vertrauen erzählen wollten. Es war schön und beruhigend zugleich, wenn sich jemand um einen sorgte. So musste es sein, wenn man einen Vater hatte, der am Abend Zeit mit einem verbrachte.
    So leise, wie er es begonnen hatte, beendete Tabori das Lied. Der letzte Ton verklang mit einem fast lautlosen Summen einer Saite. Stille kehrte ein. Ludwig war auf das Bett gesunken. Der Bademantel war ihm halb vom Körper gerutscht, hatte Penis und Hoden freigelegt. Seine Augen waren noch immer geschlossen, wahrscheinlich war er eingeschlafen. Weil Tabori ihn nicht wecken wollte, legte er sich neben ihn, breitete die Decke über sie beide aus und löschte das Licht.

105
    Sein Abendessen konnte Kalkbrenner an diesem Abend gestohlen bleiben. Von Muth ließ er sich in Treptow absetzen und drehte mit Bernie eine schnelle Runde im Park. Zu Hause schleuderte er seine Schuhe von sich, kippte sich den Rest Rotwein vom Vorabend in ein Glas und hockte sich damit in den Sessel vor die Heizung.
    Während im Hintergrund das Radio dudelte, studierte er die Akten der Soko »Manuel«, die er mit nach Hause genommen hatte, um sich einen detaillierteren Überblick zu verschaffen. Insgeheim hoffte er, eine Spur zu entdecken, die von den Kollegen vergessen oder übersehen worden war. Doch er musste feststellen, dass sie bei der Fahndung sehr gewissenhaft gearbeitet und nahezu alle achthundert Hinweise aus der Bevölkerung überprüft hatten. Viele hatten sich recht schnell als absurd erwiesen, nur einige waren aufschlussreich gewesen. Dennoch war am Ende keine heiße Spur darunter gewesen. Und jetzt war der Junge tot.
    Der Mörder wollte
,
dass wir die Leiche finden.
Die Schlussfolgerung des Psychologen klang

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