Trigger - Dorn, W: Trigger
blutigen Finger sah. Die eine Hand hielt einen Holzhobel, die andere einen Schraubenzieher, von dessen Spitze ebenfalls Blut troff.
»Um Himmels willen, du hast dich ver…«
Weiter kam Ellen nicht. Was nun geschah, war derart unglaublich, dass sie vor Schreck wie gelähmt war.
Das Mädchen fing an zu zucken. Es begann im Gesicht und breitete sich dann über Arme und Körper aus. Für einen Lidschlag sah es wie ein epileptischer Anfall aus, als der zierliche Körper wie von heftigen Krämpfen geschüttelt wurde. Dennoch war sich Ellen sicher, es mit keiner Epileptikerin zu tun zu haben. Das wirklich Unheimliche an diesem Anblick waren die Ausbeulungen, die aus dem kleinen Körper traten. Als befände sich ein Heer winziger Füße im Inneren ihres Körpers, das nun versuchte, sich durch die zarte Haut freizutrampeln. Der kleine Körper verformte sich immer mehr, beulte sich nach oben und dann wieder zur Seite aus, so als sei es nicht der Körper eines Mädchens, sondern eine Gummimaske, die gleich darauf … zerriss.
Ellen schrie, als sich der vor Schleim triefende, nackte Körper einer Frau aus der Mädchen-Hülle schälte.
Im gleichen Augenblick war der Spuk vorbei. Die Überreste des Mädchens, der Frauenkörper, Schraubenzieher und Hobel – alles war verschwunden.
Ellen stand vor Schreck schlotternd inmitten des Kellers.
Das habe ich nicht wirklich gesehen, war der erste klare Gedanke, zu dem sie wieder fand.
Genau, das war eine Einbildung, meldete sich eine rationale
Ellen in ihr zu Wort. Daran ist dein Stress schuld. Der Stress und diese verdammte Tablette.
»He, was machen Sie denn da?«
Ellen wirbelte herum und erwartete Professor Bormann hinter sich zu sehen, der ihr in mittlerweile gewohnt ruhiger Art erklärte, sie habe einen weiteren Luzidtraum gehabt. Stattdessen stand Thieminger in der Tür zum Keller und sah sie fassungslos an. In seinem Blick las Ellen, dass sie beide dasselbe dachten.
Verliere ich jetzt den Verstand, oder ist das bereits passiert?
Kapitel 22
Die Redensart, man solle Dinge überschlafen, um sie am nächsten Tag in einem anderen Licht zu sehen, hatte durchaus etwas für sich. So zumindest empfand es Ellen, während sie am Frühstückstisch des Hotelgasthofs Jordan saß und ihren Hunger mit einer zweiten Portion Rührei und Toast stillte. Dazu nahm sie zwei Aspirintabletten, die man ihr an der Rezeption mit besten Genesungswünschen des Hauses überreicht hatte. Kurz darauf ließen ihre Kopfschmerzen nach.
Selbst Thomas Thieminger, bei dem sie eine zweite Portion Kaffee bestellte – Himmel, was tat dieser Kaffee gut! -, ließ sich seine Verwunderung über Ellens nächtlichen Ausflug in den Heizungskeller nicht mehr anmerken. Ganz der Profi, der im Lauf der Jahre gelernt hatte, auch mit den
schwierigsten Gästen zurechtzukommen, bediente er sie, als sei nichts geschehen. Vielleicht war er aber auch nur einfach müde vom Nachtdienst und freute sich insgeheim auf den bevorstehenden Feierabend. Ein solches Nach-mirdie-Sintflut- Gefühl kannte Ellen nur allzu gut von ihren eigenen Nachtdiensten, wenn mal wieder alles zu viel gewesen war und sie sich nach nichts anderem mehr sehnte als nach Ruhe und einem Bett.
Gegen zehn erreichte sie das Antiquariat, hielt unmittelbar davor in einer freien Parklücke und besah sich aufmerksam das Gebäude. Von außen wirkte der Altbau mit den schnörkeligen Verzierungen im Putz keineswegs bedrohlich. Hinter den großen Schaufenstern brannte Licht. Sollte dieser Eschenberg tatsächlich der Schwarze Mann sein, würde er ihr nichts tun können, solange sie nur in der Nähe dieser Schaufenster und somit in Sichtweite vorbeigehender Passanten blieb.
Vielleicht lag es an dem stärkenden Frühstück, vielleicht auch an den neuen Kleidungsstücken – Jeans, Unterwäsche und ein Langarmshirt, die sie sich in einer Boutique unweit des Hotels besorgt und gleich anbehalten hatte -, dass sie nun mehr Selbstbewusstsein empfand als in der Nacht zuvor.
Sie wollte endlich Licht in diesen Fall bringen, und irgendetwas in ihr versicherte Ellen, dass sie knapp vor der Lösung stand. Das war auch dringend nötig, immerhin wusste sie nicht, wie lange die Frau ohne Namen noch durchhalten konnte. Alles hing davon ab, ob Ellen einen handfesten Beweis für die Entführung fand, der auch die Polizei überzeugte.
Und der mich überzeugt, dass ich mir das alles nicht nur
eingebildet habe, dachte sie, als sie ausstieg und auf die Tür des Antiquariats zuging.
Das
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