Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
unter Kontrolle. Er war auf Rundumpflege angewiesen, so wie Chloe auch darauf angewiesen gewesen wäre, wenn Mutter noch leben würde. Aber Mutter war tot.
Im oberen Stockwerk der Villa wohnte die Pflegerin, die aber das Haus verlassen hatte, um Nachschub an Medikamenten aus der Apotheke zu holen. Chloe war ganz alleine mit ihm. Das große Haus war leer und gespenstisch still. Nur das Scharren der spitzen Krallen von Rufus war zu hören, den sie mitgenommen hatte. Sie wusste, dass er Tiere hasste, seit sein Dackel verschwunden war, und niemals in der Lage wäre, das Fell eines Tieres zu streicheln. Nun aber war er ihnen ausgeliefert.
Vorsichtig öffnete sie die Tür zum großen Salon und sah ihn mit dem Rücken zu ihr verkrümmt in seinem Rollstuhl sitzen und in das Feuer starren. Doch das Scharren der Pfoten von Rufus musste er gehört haben, denn ein Zittern ging durch seinen schiefen Körper.
Aber Zoltan Zorn war nicht einmal fähig, den Rollstuhl zu drehen, so sehr hatten die Schlaganfälle seinen Körper zu einem leblosen und nutzlosen Gehäuse gemacht, in dem nur noch sein Herz schlug und die Gedanken auf Reisen gingen.
Chloe stand direkt hinter ihm und atmete tief durch. Sie blies ihm ihren Atem sanft in den Nacken und sah das Zittern seiner verkümmerten Halsmuskeln, die diesen feinen Luftzug gespürt hatten. Jetzt wünschte sie, dass sie das Sprechen nicht vergessen hätte, dass sie eine eigene Sprache hätte, in der sie mit ihm reden könnte.
Aber auch er konnte nicht sprechen, denn sein Sprechzentrum war durch einen Gehirnschlag unwiderruflich zerstört. Chloe hatte gelauscht, als einmal der Arzt bei ihm gewesen war und mit Edgar Zorn gesprochen hatte. Langsam zog sie ihr Handy aus der Tasche, aktivierte die Videofunktion, filmte und drehte gleichzeitig den Rollstuhl herum. Unartikuliertes, aber zorniges Gurgeln drang aus dem schiefen Mund von Zoltan Zorn und der Speichel lief ihm jetzt fast wie ein Wasserfall auf die Brust. Sein Kopf mit dem eingefallenen Gesicht zuckte vor und zurück und die noch gesunde linke Hand ballte sich zur Faust und beschrieb einen Halbkreis in der Luft, ohne sie aber zu erreichen. Denn Chloe war geschickt zurückgewichen und hatte Rufus so in Stellung gebracht, dass der alte Mann ihn sehen konnte. Vorsichtig begann sie das violette Tuch, das manchmal das blinde Auge von Rufus verbarg, von seinem großen, eisgrauen Schädel zu wickeln. Mit seinem milchig weißen, toten Auge sah Rufus noch furchteinflößender aus und als er auf eine Handbewegung von ihr mit gefletschten Zähnen geduckt über den Parkettboden auf den alten Mann im Rollstuhl zuschlich, wurde dessen Körper von Panikattacken geschüttelt.
Auf dem Bildschirm ihres Smartphones sah die Szene gespenstisch aus wie in einem Horrorfilm: Rufus, der sich mit seinem toten Auge und den gefletschten Zähnen immer näher schiebt und an einen Werwolf erinnert, dann der alte gelähmte Mann im Rollstuhl, der sich nicht mehr bewegen kann und dessen zuvor noch böser Blick nun einem entsetzten Ausdruck gewichen war und der verzweifelt versuchte, die Panik zu bewältigen.
Rufus verharrte mit zurückgezogenen Lefzen, blickte fragend zu Chloe, die völlig in die Videoaufnahme vertieft war und ihm dann mit einem kurzen Nicken befahl, weiterzumachen, so wie sie es Rufus im Wald beigebracht hatte.
Was würde der alte Mann wohl jetzt zu ihr sagen, wenn er sprechen könnte? Würde er um Gnade flehen? Würde er sie mit Flüchen überschütten?
„Du musst ihn verbrennen“, sagte das Mädchen unvermittelt, das sich plötzlich mitten in die Szene geschoben hatte. „Nimm ein Holzscheit aus dem Kamin und lege es auf seinen Schoß. In kürzester Zeit brennt er ab und mit ihm das verdammte Haus, so wie dein Haus abgebrannt ist.“
Schöne, schöne,
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