Trinity (German Edition)
gebetet, dass sein Name ausgewählt werden würde, weil ihm das eine zwar bescheidene, aber doch eindeutige Chance bieten würde, diesem Ort der Schrecken zu entkommen und in seine alte Welt zurückzukehren, in sein Juweliergeschäft, zurück in ein imaginäres Leben mit Emmi.
Er wusste natürlich, dass das nie geschehen würde. Emmi war nicht mehr. Sein Geschäft war zertrümmert, die Fenster in jener Nacht des Wahnsinns, die die Nazis als Kristallnacht bezeichneten, zerschlagen. Er konnte nicht zurück, aber er konnte hier herauskommen. Das hatte Daniel wenigstens geglaubt. Jetzt wusste er, dass es nie dazu kommen würde.
»Saul, wir dürfen nicht zulassen, dass das hier weitergeht. Wer weiß schon, wofür die das verwenden werden? Wenn wir die Kühlrohre zerschlagen, ist das das Einzige, womit wir vielleicht genügend Schaden anrichten können, um sie eine Weile aufzuhalten. Sie werden uns dafür töten, aber wir sind ja ohnehin tot.«
Jetzt schienen Saul Zweifel zu kommen. »Ich will nicht sinnlos sterben. Was ist, wenn das, was wir tun, gar nichts nützt?«
»Hat es denn keinen Sinn, einfach irgendetwas zu tun, bloß, um ihnen einen Schlag zu versetzen?«
Saul überlegte. Die anderen Gefangenen arbeiteten weiter, aber einige von ihnen hatten innegehalten, um ihnen zuzuhören.
»Doch«, sagte Saul. »Das tut es.«
Daniel und Saul sprachen mit den anderen Arbeitern im Reaktorsaal. Alle stimmten ihnen zu, alle mit Ausnahme eines Mannes, der dem Tode so nahe war, dass er sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte.
»Ich habe gehört, dass andere Gefangene hier in Dachau die Bauarbeiten an den Duschen sabotiert haben, mit denen sie Juden vergasen«, sagte Daniel. »Wir werden hier mit diesem Projekt, was auch immer es ist, dasselbe tun. Die Nazis sollen keinen Erfolg aus unserer Arbeit ziehen.«
Saul fand einen kleinen Schraubenschlüssel und reichte ihn Daniel. »Du solltest derjenige sein, der es als Erster tut«, sagte er.
Daniel nahm den Schraubenschlüssel und sah ihn an. Das Werkzeug war viel zu klein, um es als Waffe gegen einen der Wächter zu benutzen; nicht dass die Wächter, die mit ihren Karabinern und ihren Maschinenpistolen herumstolzierten, Angst vor ihnen gehabt hätten. Die jüdischen Gefangenen waren gegenüber den Wachen hundert zu eins in der Überzahl, aber trotzdem unternahm keiner von ihnen etwas. Den Wächtern machte es Spaß, sie zu verspotten, weil sie wussten, dass die Gefangenen keinen Widerstand leisten würden; man hatte ihren Willen gebrochen.
Dass es im Inneren des Reaktorgebäudes keine Wachmannschaften gab, war ein weiterer Grund, weshalb die Arbeit hier so reizvoll war. Gleichgültig, wie gering die Chance auf Freiheit war, selbst wenn sie wussten, dass sie am Ende einer Woche zusammenbrechen und sterben würden, schon ein paar Tage ohne den Spott, ohne den Albtraum, dass sich jeden Augenblick ein Karabiner auf einen richten konnte, waren es vielleicht wert, dass man dafür starb.
Daniel nahm den kleinen Schraubenschlüssel und ging damit zu den rotlackierten Hähnen, die aus den Kühlrohren ragten. Er schob den Schraubenschlüssel durch die Bügel des Vorhängeschlosses und drückte, obwohl seine Kraft nicht ausreichte, um es zu zerbrechen. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen, und die Anstrengung machte ihn schwindlig, aber er ließ nicht locker und drückte weiter.
Einer von den anderen Gefangenen, der ein Paar angesengte Handschuhe trug, kam mit einem der weichen Graphitwürfel und schlug damit auf den Schraubenschlüssel. Der Graphit zerkrümelte zu glänzendem schwarzen Pulver, aber die Wucht des Schlags hatte ausgereicht, um das Schließband zu zerbrechen.
Daniel nahm das Schloss ab und ließ es fallen. Er konnte im Inneren des Rohrs das Wasser rauschen hören. Es war so laut, dass er nicht hörte, wie das Schloss auf den Betonboden fiel. Er riss die Kette heraus, die den Schieber sicherte, und warf sie in einer plötzlichen Aufwallung von Kraft auf den stumm über ihm aufragenden Reaktor.
Saul und Daniel drehten gemeinsam an dem Handrad des Ventils, drehten so lange, bis das Rauschen des Wassers verstummte. Dann benutzten andere Gefangene den Schraubenschlüssel, um kleinere Schlösser aufzubrechen, und drehten ebenfalls an Ventilschiebern.
Saul öffnete einen großen Abflusshahn, worauf ein Wasserstrahl auf den Boden spritzte. Es sah sauber und kühl aus. Daniel starrte den Wasserstrahl an. Einer der Gefangenen streckte die Hände aus und stellte sich
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