Trinity (German Edition)
berechnen, was wir als Absorptionswahrscheinlichkeiten bezeichnen wollen. Die Absorption ist zum größten Teil willkürlich definiert, man bezeichnet den ganzen Vorgang als Monte-Carlo-Methode – Monte Carlo, weil sie auf dieser berühmten Casinostadt in Marokko basiert.
Wie auch immer, Sie können diese Kalkulation auch so betrachten, als wollten wir sehen, wie viele Neutronen es überleben können, vom falschen Material absorbiert zu werden – so wie Sie, als Sie hier eintrafen und diese Typen von der Army abgewehrt haben, um sich für einen anständigen Wissenschaftler aufzusparen, der einen viel besseren Ehemann abgeben würde.«
Ein paar der Frauen lachten schwächlich. Elizabeth gab sich Mühe, den dummen Witz zu ignorieren. Feynman wusste nicht einmal, wo Monte Carlo lag.
»Diese Kalkulationen werden in einem Experiment eingesetzt werden, das wir unser Kanonenexperiment nennen wollen. Im Grunde genommen wollen wir zwei Brocken Uran-235 aufeinander schießen. Wir sind der Ansicht, wenn wir das schnell genug tun können, wird der eine Brocken, der daraus entsteht, sich im Zustand der kritischen Masse befinden – und das wird bewirken, dass unser Gadget funktioniert. Was Sie, meine Damen, also heute tun werden, ist daher äußerst kritisch.« Feynman verzog das Gesicht bei seinem Wortspiel, aber Elizabeth hatte das Gefühl, dass keine der anderen Frauen es verstanden hatte. »Wenn die Ergebnisse gut aussehen, versuchen wir ein kleines Experiment mit verbrauchtem Uran, um uns eine Vorstellung zu machen.«
Elizabeth hatte das Gefühl, die einzige zu sein, die das, was der Eierkopf des Tages zu sagen hatte, begriff oder sich zumindest dafür zu interessierte.
»Also gut, Ladies«, fuhr Feynman fort. »Die Zahlen, die ich Ihnen jetzt gebe, entsprechen den anfänglichen Neutronengeschwindigkeiten und den Materialtemperaturen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß. Ich werde alle neunzig Sekunden eine Glocke anschlagen, damit Sie wissen, wann Sie Ihr Ergebnis weiterreichen müssen – auf die Weise sollten Sie genug Zeit haben, um Ihre Berechnungen zu überprüfen.«
Als die Glocke ertönte, wusste Elizabeth, dass sie jetzt zehn Minuten Zeit hatte, bis die erste Zahl durch die lange Reihe ihrer Kolleginnen zu ihr gelangte. Sie wandte den Blick von Feynman ab.
Ob wohl außer ihr noch jemand in seiner Verzweiflung so weit gegangen war, sich Zugang zu den versperrten Büros zu verschaffen und seinen Einsatz abzuändern? Nachdem sie sich kurz im Saal umgesehen hatte, entschied sie für sich, dass das nicht der Fall war; die restlichen Frauen – ihnen machte es nichts aus, wenn man sie als »Mädchen« bezeichnete – starrten auf ihre Arbeit und schienen Feynmans Spott überhaupt nicht wahrzunehmen. Für die anderen war das einfach ihr Beitrag zum Kriegseinsatz, so als würden sie Bombengehäuse montieren oder Infanterieuniformen nähen. Von dem Geschehen in seiner Gesamtheit hatten sie nicht die leiseste Vorstellung.
Feynman sah sie zum ersten Mal direkt an; er blinzelte ihr zu, um sie wissen zu lassen, dass er die ganze Zeit gewusst hatte, dass sie hier war. Elizabeth versuchte, ihn zu ignorieren, spürte aber, wie ihr Gesicht sich rötete.
Er konnte jeden Augenblick preisgeben, was sie getan hatte; dass sie ihre Personalakten gefälscht hatte, dass sie überhaupt nicht hierhergehörte. Und wenn jemand dann auf die Idee kam, sie zu verhören, würde sie nicht wissen, was sie antworten sollte …
»Elizabeth! Hey, Liz – hier!«
»Was? Oh, tut mir leid.« Elizabeth griff nach dem Blatt, das ihr hingeschoben wurde. Sie hatte die Glocke nicht gehört und vergessen, wo sie saß. Die Ventilatoren machten weiterhin Lärm, aber die Luft fühlte sich so dick und stickig an, dass sie das Gefühl hatte, als würden sie überhaupt nichts ausrichten. Feynman stand vorn im Saal und blickte auf eine kleine Sanduhr, in der neunzig Sekunden verströmten. Von Neumann war verschwunden, vermutlich um an seinen eigenen Berechnungen zu arbeiten.
Elizabeth sah auf das Blatt, das sie in der Hand hielt.
v(r) = 137 , T = 28
stand darauf.
Sie gab die Werte in die umfangreiche Gleichung ein, die auf einem anderen Blatt stand. Wenn nur ihre Physikarbeiten auf dem College auch so einfach gewesen wären. Sekunden später nahm sie die Berechnung vor und schrieb das Ergebnis auf ein neues Blatt.
Sie war schon im Begriff, den Bleistift wegzulegen und das Blatt der Frau rechts von ihr weiterzureichen, als ihr
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