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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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Herz oder die Hauptstadt … oder …«
    »Ah ja, Wien ist ganz nett, so als Zwischenstopp. Aber wenn man landen will, kommt man um die Staaten nicht herum. Dort werden die Karten gemischt, dort geht der Zug ab. Verstehst? Europa is’ passé, in fuchzig Jahren wird kaner mehr wissen, wo’s genau liegt, außer a paar verstaubte Historiker. Willst hier leicht vertrocknen?«
    Vertrocknen – das ging mir nun doch zu weit. Ich schenkte mir vom guten Ruster Blauburgunder nach und suchte nach griffigen Gegenargumenten. »Schau«, versuchte ich es versöhnlich, »wir haben es doch sehr angenehm hier. Eine gemütliche Wohnung, ein Auskommen, du hast deine Kulturszene …«
    »Es gibt nur eine wirkliche Kulturszene«, fuhr sie mir in die Parade, »und die spielt sich zwischen East River und Hudson River ab. Alles andere ist Provinz.«
    »Aber ich kann ja nicht einmal richtig Englisch …«
    »Welcher Amerikaner kann das schon! In deinem Job hat man eh mehr mit Zahlen zu tun. Wenn du was zu sagen hast, schickst halt die Sekretärin zum Faxen.«
    Faxen? War das meine Kommunikationsebene? Sicher, ich bin von der stillen Sorte, aber ganz verstummen wollte ich nicht. Nicht jetzt, da ich endlich in der Lage war, mich einem Wiener Taxifahrer gegenüber so auszudrücken, dass er mich nicht übers Ohr haute. Einen Moment lang erwog ich, ob es nicht praktischer sei, die Frau zu wechseln anstatt des Wohnsitzes. Aber wie es gern geschieht, wenn man bereits Sklave der Zeitströmungen geworden ist – man verdrängt den naheliegenden Gedanken.
    Was blieb mir anderes übrig? Ich nahm es hin, wie’s kam: New York, uptown, das Apartment im 17. Stock, das Büro im 29., beides nur mit einem erfahrenen Bergführer zu bewältigen, wenn man, wie ich, nicht schwindelfrei ist. Das Apartment entsprach größenmäßig unserem Wiener Badezimmer. Keine Frage, dass wir unsere soliden Stilmöbel zu Hause, ach was sag ich, zu Hause! … wenn es das nur gäbe! Jedenfalls ließen wir die bequemen Stilmöbel in unserer Wiener Garçonnière zurück, die wir mitsamt den Erinnerungen einfach veräußerten. Mit Gewinn obendrein, frohlockte B. (Bee), wie sie sich in New York kurz nannte, weil hier Zeit Geld ist.
    Den Gewinn steckte B. in eine bodennahe Ausstattung, die ein japanischer Einrichtungsguru ihr als den letzten Schrei auf dem Wohnsektor verkaufte. Alles zusammenrollbar, ausklappbar, transportabel. »Möbel im eigentlichen Sinn«, wollte sie mir weismachen, »mobil, also beweglich.« Ja, man musste sehr beweglich sein bei solchen Möbeln, wie insgesamt in New York, wo die Leute in Rollerblades zum Büro hecheln. Man kam nie zur Ruhe, und nicht selten beendete ich einen 12-Stunden-Arbeitstag, der dort als Halbtagsjob gilt, mit dem letzten Schrei. Einem qualvollen Schrei aus den Bandscheiben, die vom ewigen Ausrollen der Tatamis und deren mangelnder Federung über Gebühr strapaziert wurden.
    Nein, New York ist nichts für bodenständige Naturen, mehr etwas für virtuelle Figuren, die gleichzeitig auf mehreren Partys tanzen können. Im Grunde will keiner in dieser Stadt leben, nicht einmal die japanischen Wohndesigner, obwohl die fürstlich dafür bezahlt werden. Alle, alle flüchten hinüber nach Long Island zu ihren Jachten, sobald ein Feiertag winkt, und wer auf sich hält, nimmt nach dem ersten Sommer im schwülen New York Verbindung mit einem Immobilienmakler in Irland oder der Toskana auf.
    »Irland ist mir zu feucht«, meinte B. nach dem zweiten Sommer in der City, und nach dem dritten Sommer entschloss sie sich spontan für die Toskana. Wien, wo ich mich auskannte, wäre mir lieber gewesen, aber man steige nicht zweimal in denselben Fluss, lautete ihr Kommentar, und außerdem lebten die Wiener, die es zu was gebracht hatten, längst in der Toskana. In der Toskana kam nichts anderes infrage als ein altes Gehöft, das versteht sich von selbst. So will es das ungeschriebene Gesetz für Aufsteiger. Die Bauern der Region reiben sich die Hände und kaufen sich vom Erlös Trattorien im Village , wo sie vor Heimweh vergehen. So funktioniert die Welt, weil die Kirschen in Nachbars Garten angeblich besser schmecken.
    Unser zweihundert Jahre altes Gehöft lag zauberhaft zwischen Pinien, Zypressen und ertragreichen Ölbäumen. Es entbehrte jedoch gewisser Selbstverständlichkeiten, an die wir als Großstädter gewöhnt waren. Ich meine nicht nur Zentralheizung und fließend Wasser, das ist schnell installiert, wenn man das Geld dafür hat. Ich meine den

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