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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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schwanger und das gesellschaftliche Leben bei den Eidgenossen ausgereizt war. »Wenn schon französisch, dann wenigstens richtig«, lautete die Parole, die schnurstracks nach – ja, wohin wohl? – nach Paris natürlich wies.
    Aber Paris ist eine Enttäuschung für jeden, der einmal unter Italienern gelebt hat. Man kommt nicht rein in die geweihten Zirkel der Pariser Gesellschaft, auch nicht mit einer Beletage im Marais. Die Aufnahmebedingungen sind nur durch die Mitgliedschaft in der Académie Française zu erfüllen oder wenn man von Yves Saint Laurent geduzt wird. Von den Sehenswürdigkeiten kann man nicht leben, sie sind für die Touristen errichtet, um sie abzulenken und umzulenken, vorbei an den intimen Stätten des Savoir-vivre, und so kam es, wie es kommen musste. Babette, wie sie sich hier nennen ließ, scharrte wieder einmal mit den Hufen und nahm die Kubisten von der Wand, weil sie gedanklich bereits in völlig anderen Regionen geankert hatte. Wo? Ich erinnere mich kaum noch.
    In London wurde es ihr schnell zu feucht, und in Barcelona, wo die Leute nie schlafen, was ihrem Teint schadete, haperte es mit der Umweltqualität. »Die Holländer sind doch so weltoffen, bei denen bläst einfach ein frischerer Wind, denk nur an die niederländische Literaturszene, was die für junge Autoren haben …!« Mir fiel nur Rembrandt ein, aber war der nicht Maler? Auf dem Hausboot in der Prinsengracht hoffte ich, würde sie zur Ruhe kommen. Denn so ein Hausboot, wenn auch sturmfest vertäut, ist immerhin ein bewegliches Domizil und wie geschaffen dafür, einem unruhigen Geist das Gefühl zu vermitteln, er müsse seinen Salon nicht verlassen, um in der ganzen Welt zu Hause zu sein. Dass Geister dazu verdammt sind, nie zur Ruhe zu kommen, hätte ich aus den Märchen der Kindheit wissen müssen. Aber was weiß schon ein Bodenständiger auf schwankendem Boden, wenn er nicht seefest ist und beim sanftesten Wellengekräusel nur noch einen Gedanken kennt: Wo ist der nächste Spuckeimer?
    Deshalb wehrte ich mich nicht, als der Mauerfall in Berlin eine Völkerwanderung ins Rollen brachte – mit wem an der Spitze, muss ich wohl nicht erklären. Wir trafen in Berlin ein, bevor die Regierung eintraf. Das mag daran gelegen haben, dass wir nicht so viele Mätressen im Gepäck hatten. Mätressen! Gut möglich, dass der Mann von seinem Schöpfer polygam ausgestattet worden ist. Doch mir sträuben sich die Haare bei der Vorstellung, gleichzeitig mehreren Frauen und ihren wechselhaften Bedürfnissen gerecht werden zu müssen. Das kann vielleicht ein Monarch riskieren. Der verduftet mit den Damen mal kurz in die Orangerie, mehr Aufwand hat der nicht nötig. Aber wer sich wie ich mit einem Werkzeugkoffer beim weiblichen Geschlecht eingebracht hat, ist für sein Leben bedient. Der braucht keine Mätressen mehr. Der braucht einen zuverlässigen Zechbruder oder, falls die Leber nicht mitspielt, einen Geistlichen, der ihn im selben Rhythmus aufbaut, wie er seine Zelte abbaut.
    Berlin. Wir waren also wieder in Deutschland angekommen, nach zwanzig Jahren Odyssee endlich daheim. »Hätten wir nicht gleich hierbleiben können?«, maulte ich im Wartezimmer des Maklers, der uns einen real existierenden Ossischuppen zu einem irrwitzigen Wessipreis verkaufen wollte. »Dann säßen wir jetzt in einem standesgemäßen Eigenheim, das wir längst abbezahlt hätten, würden unsere Rosen pflegen und eigene Himbeeren ernten …«
    »… und völlig verspießern«, ergänzte Bärbel, wie sie sich neuerdings nannte. »Sei doch froh über unsere weitreichenden Erfahrungen, die kann uns keiner mehr nehmen.«
    Leider, dachte ich, leider, und wunderte mich, dass sie trotz ihrer Erfahrungen noch immer nicht erkannt hatte, dass überall nur mit Wasser gekocht wird. Was soll’s! Der Ossischuppen war nach einem Jahr Feierabendbuckelei von mir so weit restauriert, dass er dem Kaufpreis annähernd gerecht wurde. Ich hätte anfangen können, mich wohlzufühlen. Da entdeckte Bärbel Feng Shui für sich. Feng Shui …? Ich hatte über vierzig Lebensjahre, wenn auch mühsam, hinter mich gebracht, ohne zu ahnen, was mir fehlte. Nun sollte ich es erfahren. Nämlich diese traditionelle chinesische Kunst der energiebezogenen Raumplatzierung. Im Klartext: die Feinabstimmung des Wohnumfeldes mit dem persönlichen Chi, der Lebenskraft. Eigentlich hätte ich nie etwas anderes im Sinn gehabt, wagte ich zu bemerken, aber nun, nach über zehn Umzügen, sei mein persönliches Chi auf

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