Trinken hilft
paar Jahren würde der Hausschwamm mit dem hölzernen Schrott kurzen Prozess machen, so verstanden wir die Enzyklopädie, und wir könnten uns die mühsame Entrümpelung des Sperrguts sparen. Noch am selben Abend entkorkten wir einen leichten Fendant, um auf unsere geniale Idee anzustoßen. Ja, das Leben ist ein Spiel, wenn man den Unwägbarkeiten mit Verstand begegnet. In den Keller stiegen wir nicht mehr hinab. Wozu auch? Die Zeit würde für uns arbeiten, die Buddhisten lehren uns diese Weisheit.
Wir reisten und erweiterten unseren Horizont, wir pflegten Gastlichkeit und Lebensstil in unserem behaglichen Heim, und an einem dieser Abende saß nach ewiger Zeit mal wieder Gundolf, unser Freund, mit uns am Tisch. Gundolf hatte sich eine alte Mühle im Lichtenfelser Land gekauft, und nun wollten wir hören, ob seine lange Zurückgezogenheit etwa auf das Auftauchen einer schönen Müllerin zurückzuführen sei.
»Wenn es das denn wäre!«, sagte er seufzend und füllte sich das Glas mit einem frischen Hollenburger Jungbrunn. »Ich weiß gar nicht mehr, wie sich eine Frau anfühlt. Da, seht euch meine Hände an!«
Gundolf ist Schriftsteller. Seine Hände sahen aus, als hätte er die Encyclopaedia Britannica in Steintafeln geritzt. »Wisst ihr, was ein Hausschwamm ist?«, fragte er mit stumpfem Blick.
»Merulius lacrymans, the most voracious fungus that attacks building timbers …«, sprudelte mein Mann zwischen weinglänzenden Lippen hervor. Er hat ein phänomenales Gedächtnis für Gelesenes. Das bewunderte ich so an ihm.
»Tja, dann könnt ihr euch vorstellen, warum ich so lange abgetaucht bin. Kellersanierung. Ich wünsche so was nicht einmal meinem Erzfeind. Seid froh, dass ihr ein gesundes Haus gekauft habt.«
Für einen Augenblick vernahm man nur das leise Knirschen im Gebälk. Elmar und ich tauschten stumme Blicke. Dann erhob ich mich.
»Komm doch bitte mal mit«, bat ich Gundolf und suchte nach einer Taschenlampe. Der Geruch fruchtiger Pilzgründe schlug uns bereits an der Kellertür entgegen. Das Türblatt aus schwerem Eichenholz zerfiel in drei Teile, als ich an der klemmenden Tür ruckelte.
»Mein Gott!«, war alles, was Gundolf, der Atheist, beim Anblick des Kellers hervorbrachte. Weiß Gott, die Natur hatte sich hier ausgebreitet: Das Sperrgut war mit wattigen Myzelen überwuchert, aus dem Mauerwerk quollen sie als rostbraunes Krebsgeschwür. Es wurde spät in dieser Nacht. Gundolf schilderte uns in allen Einzelheiten, was uns bevorstand. Es gab Momente, in denen ich ihn verwünschte. In denen ich mir schwor, bei der Wahl unserer Freunde künftig vorsichtiger zu sein.
»Wenn ich euch einen Rat geben darf«, sagte er abschließend, »entrümpelt den Keller, kratzt den Schwamm so weit von den Wänden, dass man ihn nicht mehr sieht. Und dann seht zu, dass ihr die Bude loswerdet. Verkauft sie für ein Butterbrot, wenn nötig, denn mehr ist sie nicht wert. Oder setzt sie in Brand.«
Zur Wahl unserer Freunde fällt mir heute auf, dass ich Gundolf seit diesem Abend nie wiedersah. Die Freundschaft wurde vom Schwamm ausgehöhlt, wie wir selbst. Was zurückblieb, war nichts als eine wertlose Hülle – a useless shell , wie es die Enzyklopädie formuliert. Aber ich will nicht vorgreifen.
Wir bestellten eine Entrümpelungsfirma vor Ort. Der Unternehmer verzog ablehnend sein karibikgebräuntes Gesicht, als er den Keller betrat. Das könne er seinen Männern nicht zumuten, die würden ihn sonst ein Leben lang für entstehende berufsbedingte Allergien haftbar machen. »Ich stelle Ihnen ein paar Container vor das Haus, und Sie entrümpeln selbst«, lautete sein Vorschlag, den wir akzeptieren mussten. Wir hatten keine andere Wahl. Wir räumten den Keller leer. Spätestens da wussten wir, warum der Unternehmer abgelehnt hatte. Elmar war von empfindlicher Konstitution. Die Sporen des Tränenden Hausschwamms ließen seine bisher so feinen Gesichtszüge aufquellen wie einen Schwamm, aus den zugeschwollenen Augen sickerten die Tränen in unablässiger Anklage, als wollten sie mir vorwerfen: War es nicht deine Idee damals, in den Keller zu gehen wegen dieses eingebildeten Rohrbruchs …?!
Sein Anblick erregte mein Mitleid, gewiss, aber auch Ärger. Er solle sich nicht so gehen lassen, dachte ich in den schlimmsten Stunden, schließlich musste ich dasselbe erleiden. Nachts im Bett wurde er von Hustenkrämpfen gebeutelt. »Hol mir ein Glas Wasser«, keuchte er wie ein Schwindsüchtiger und erwartete trostreiche
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