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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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Drittweltflaggen billiger als Altenheime in Deutschland mit ihren hohen Standards. Das Personal aus Südostasien kostet fast nichts, nur die Zielgruppe zieht nicht mit, und die Bestattungsinstitute protestieren.«
    »Warum das?«
    »Na, denken Sie mal nach«, forderte sie mich mit gekräuselter Stirn auf. Süß sah das aus.
    »Sie meinen«, ich schluckte, »Seebestattung?«
    »Genau. Da schwimmen den deutschen Bestattern die Felle davon.«
    »Entsetzlich, die Armen! Haben die nicht schon gegen die neuen Discountbestatter anzukämpfen?«, kam es mir Berufszyniker über die Lippen.
    »Ja, das Leben wird härter. Das Sterben auch«, seufzte diese Pfirsichblüte wie eine weise Alte. Ich hätte sie jetzt gerne getröstet, auf die einzige Art, die mir beim Anblick von knallengen Jeans in den Sinn kam. Aber justament in diesem schicksalsschwangeren Augenblick stelzte jener Pfau heran, der offenbar ihr Chef war. Im Gegensatz zu mir frisch geduscht und auf einer Wolke von Rasierwasser schwebend, lässig in Hugo Boss gekleidet, aus dem offenen Hemdkragen spitzte das Brusthaar hervor. Ich hätte ihn gerne aus dem Ring gefegt. Am liebsten über die Reling hinweg, diesen Krankenkassenheini, damit er die ökonomischen Vorteile einer Seebestattung am eigenen Leib zu spüren bekäme.
    »Na, dann wollen wir mal!«, forderte er seine Assistentin zum Mitgehen auf, ohne mich überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Er legte ihr die Hand mit der Pose eines Lehnsherrn auf das göttliche Hinterteil und geleitete sie weg von mir, dahin, wo die Musik spielte. So verjubeln diese Funktionäre unsere Krankenkassenbeiträge. Ich nahm mir vor, aus der Krankenkasse auszutreten.

DIE LIEBE KOMMT AUF ACHT BEINEN

    B eim Frühstück am nächsten Morgen herrschte große Unruhe an Bord. Das Personal bemühte sich, das eingedrillte Servicelächeln aufrechtzuerhalten, Dienst as usual, aber es war nicht zu übersehen, dass die Leute verstört waren. Im Gewimmel am Büfett erlauschte ich Bruchstücke von Hinweisen, die auf ein Unglück hindeuteten. Ein Kind war abgängig, ein dreizehnjähriger Junge. Die Eltern hatten sein Bett in der Früh leer vorgefunden.
    »Der wird sich in den Maschinenraum hinuntergeschlichen haben«, kommentierte mein Tischnachbar, während er sich Eier mit Speck schmecken ließ. »Man kennt die Lausejungs doch. Haben nichts als Dummheiten im Kopf.«
    »Blödsinn«, fuhr ihm seine Frau in die Parade, »die Maschinen werden bewacht wie ein Hochsicherheitstrakt. Ohne die entsprechenden Schlüssel kommt da keiner rein. Da ist was Schlimmes passiert, ich hab’s im Gefühl.«
    »Du siehst immer gleich schwarz«, warf er ihr mürrisch vor. »Was für ein Unglück soll hier schon passieren? Entführt wird ihn wohl keiner haben, wohin auch? Gibt ja bloß das Meer rundherum.«
    »Eben, das Meer.« Sie starrte bedeutungsvoll auf das schäumende Graugrün in dreißig Meter Tiefe. Ich folgte ihrem Blick, mir schwindelte.
    »Meinen Sie, er könnte über Bord …?«, mischte ich mich nun ein. Der Mann winkte ab, aber seine Frau wiegte bedenklich den Kopf. »Möglich wäre es schon. Schließlich ist kein Netz ums Schiff gespannt.«
    Die Vorstellung des freien Falls war für einen wie mich, der schon als Schüler auf dem Dreimeterbrett im städtischen Schwimmbad Zustände bekam, entsetzlich. Ich mochte mich nicht länger dieser Gerüchteküche aussetzen, ich wollte wenigstens für einige Stunden festen Boden unter den Füßen spüren und entschloss mich zu einem Landgang in Lissabon. Das Schiff legte gerade an. Viele Passagiere wirkten unschlüssig, ob sie wirklich an Land gehen oder nicht lieber an Bord bleiben sollten, um nichts von dem zu versäumen, was die Suchaktion erbringen würde. Eine Durchsage über Lautsprecher bestärkte die Gäste darin, ihre Ausflugspläne zu verwirklichen. Es gäbe keinen Anlass zur Besorgnis, hieß es, der Junge würde sich wiederfinden, und zwar leichter auf einem entvölkerten Schiff. Solche Zwischenfälle gäbe es häufiger, stets habe sich jemand bloß verlaufen.
    Lissabon erwartete uns mit freundlichem Frühlingswetter, 22 Grad Celsius bei 58 Prozent Luftfeuchtigkeit, leicht bewölkt, gerade richtig für eine Stadtbesichtigung. Auch ich ließ mich von der dynamischen Stimme des Bordmanagers ermuntern und verscheuchte die nagenden Gedanken. Mit meinem Pocketguide in der Hand stieg ich an Land. Um dem Gewusel der Hafenzone unbeschadet zu entkommen, nahm ich ein Taxi, das mich zur Haltestelle der Electrico 28

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