Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)
zuwider. Ein Lattenzaun steht zwischen uns und solch rätselhaften Vorfällen.« Ligudim drehte den Kopf nach allen Seiten und verschwand rückwärts gehend aus meinem Gesichtsfeld.
10. November 1937
»Passacaglia«: eine barocke Kompositionsform mit kontrapunktischen Variationen über einem gleichbleibenden Bassthema (basso ostinato). Bekannt sind die Passacaglien von Johann Sebastian Bach und Dietrich Buxtehude – Komponisten, die Charms beide sehr schätzte.
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Ein Dreckskerl
Senka schlug Fedka in die Schnauze und versteckte sich unter der Kommode.
Fedka holte Senka mit einem Schürhaken unter der Kommode hervor und riss ihm das rechte Ohr ab. Senka befreite sich aus Fedkas Umklammerung und rannte mit dem Ohr in der Hand zu den Nachbarn. Doch Fedka holte Senka ein und haute ihm die Zuckerdose auf den Kopf.
Senka fiel um und war allem Anschein nach tot. Da packte Fedka den Koffer und reiste ab nach Wladiwostok.
In Wladiwostok wurde Fedka Schneider; eigentlich wurde er nicht richtig Schneider, denn er nähte ausschließlich Damenunterwäsche, vor allem Unterhosen und Büstenhalter. Die Damen genierten sich nicht vor Fedka, hoben direkt vor ihm ihre Röcke hoch, und Fedka nahm bei ihnen Maß.
Fedka hat sozusagen allerhand gesehen.
Fedka, ein Dreckskerl.
Fedka, der Mörder von Senka.
Fedka, ein Lüstling.
Fedka, ein Fresssack, denn allabendlich verschlang er zwölf Frikadellen. Fedka bekam einen solchen Bauch, dass er sich ein Korsett anfertigen und es tragen musste.
Fedka war ein gewissenloser Mensch: Auf der Straße nahm er Kindern, die ihm über den Weg liefen, das Geld weg, stellte alten Männern ein Bein und erschreckte alte Frauen, indem er die Hand gegen sie erhob, und wenn eine zu Tode erschrockene Alte zurückwich, dann tat Fedka so, als habe er die Hand nur erhoben, um sich am Kopf zu kratzen.
Es endete damit, dass Nikolai zu Fedka kam, ihm eins auf die Schnauze gab und sich unter dem Schrank versteckte.
Fedka holte Nikolai mit dem Schürhaken unter dem Schrank hervor und riss ihm den Mund auseinander. Nikolai rannte mit zerfetztem Mund zu den Nachbarn, doch Fedka holte ihn ein und schlug ihn mit einem Bierkrug. Nikolai fiel um und starb.
Fedka packte seine Sachen und verließ Wladiwostok.
21. November 1937
Geschrieben in zwei Anläufen.
Exakt vor 56 Jahren wurde Iwan Andrejewitsch Redkin geboren. Heute ist er eine solche Berühmtheit, dass ich keine Notwendigkeit sehe, ihn genauer vorzustellen. Man bedenke bloß, was dieser Mann in sechsundfünfzig Jahren alles geschafft hat! Ja, Genie ist eben Genie, da beißt die Maus keinen Faden ab.
Als Iwan Andrejewitsch seines Ehrentags gewahr wurde, kaufte er sich eine Büchse Sprotten und verstaute sie in einer Schreibtischschublade.
»Ich bin zu berühmt, um damit rechnen zu können, dass niemand kommt, um mir zu gratulieren«, sagte Redkin zu sich selbst. »Und wenn jemand kommt, dann kann ich ihm ja von den Sprotten anbieten.« Iwan Andrejewitsch setzte sich auf die Couch und begann zu warten.
Um acht Uhr abends läutete es, und Redkin stürzte zur Wohnungstür, um sie aufzusperren. Redkin war schon durch den Korridor bis zum Badezimmer gerannt, da begriff er, dass er in die falsche Richtung gelaufen war und wandte sich zum Vorzimmer. Im Vorzimmer angekommen, konnte Redkin jedoch nicht mehr verstehen, warum er sich hier befand, und so schlurfte er schleppenden Schritts wieder in sein Zimmer zurück.
<1935–1937>
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Erinnerungen eines weisen alten Mannes
Ich war ein sehr weiser alter Mann.
Jetzt bin ich nicht mehr das, was ich mal war, Sie könnten sogar meinen, ich wäre nicht mehr da. Doch es gab eine Zeit, da konnte jeder von Ihnen zu mir kommen, und welche Last ihm auch auf der Seele gelegen, welche Sünden seine Gedanken auch gequält hätten, ich wäre bereit gewesen, ihn zu umarmen und zu sagen: »Mein Sohn, tröste dich, denn keine Last liegt dir auf der Seele, und keine Sünden sehe ich in deinem Körper.« Und er wäre glücklich und froh von mir gegangen.
Ich war groß und stark. Die Menschen, die mir auf der Straße begegneten, wichen zur Seite, und ich bahnte mir den Weg durch die Menge wie ein Bügeleisen.
Oft küsste man mir die Füße, aber ich protestierte nicht: Ich wusste, ich war dessen würdig. Warum den Menschen die Freude nehmen, mich zu verehren? Ich versuchte sogar selbst, da mein Körper außerordentlich biegsam war, meinen eigenen Fuß zu küssen. Ich setzte mich auf
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