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Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Titel: Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniil Charms
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Wand gedreht.
    Der Jüngling schwieg.
    »Schön«, sagte der Herr und richtete sich auf. »Sie wollen Ihrem Freund nicht antworten. Schön.«
    Der Herr zuckte die Schultern und trat ans Fenster.
    »Gebt mir ein Boot«, brachte der Jüngling heraus.
    Der Herr stand am Fenster und kicherte.
     
    Es vergingen etwa acht Minuten. Der Jüngling suchte mit den Augen den Herrn mit dem gestärkten Kragen und sagte:
    »Doktor, sagen Sie mir ganz offen: Muss ich sterben?«
    »Wissen Sie«, sagte der Doktor, wobei er mit seiner Uhrkette spielte, »ich will Ihnen auf diese Frage lieber keine Antwort geben. Ich habe gar kein Recht, eine zu geben.«
    »Was Sie da sagen, spricht Bände«, sagte der Jüngling. »Jetzt weiß ich, dass es keine Hoffnung gibt.« »Na, na, das ist aber jetzt Ihre Fantasie«, sagte der Doktor. »Ich habe Ihnen kein Wort über Hoffnung gesagt.«
    »Doktor, Sie halten mich für einen Dummkopf. Aber ich versichere Ihnen, dass ich nicht so dumm bin und meine Lage sehr wohl begreife.«
    Der Doktor kicherte und zuckte die Schultern.
    »Ihre Lage ist so«, sagte er, »dass Sie sie unmöglich begreifen können.«
    <1940>
     
    Ein Mann verfolgte einen anderen, während der, der wegrannte, seinerseits einen dritten verfolgte, welcher, da er von der Verfolgung hinter sich nichts mitbekam, einfach schnellen Schrittes die Straße entlangging.
    <1940>

[Menü]
Die Ritter
    Es war ein Haus voller alter Frauen. Die alten Frauen wackelten den ganzen Tag durchs Haus und klatschten mit Papier-tüten Fliegen. Alles in allem waren es sechsunddreißig alte Frauen in diesem Haus. Die lebhafteste Alte hieß Juflewa, sie führte das Kommando über die anderen Alten. Ungehorsamen alten Frauen kniff sie in die Schulter oder sie stellte ihnen ein Bein, und sie fielen hin und schlugen sich die Visage auf. Die Swjakina, von der Juflewa bestraft, stürzte so unglücklich, dass sie sich beide Kiefer brach. Ein Arzt musste gerufen werden. Der kam, zog einen Kittel über, untersuchte die Swjakina und sagte, sie sei zu alt, als dass man noch auf eine Wiederherstellung ihrer Kiefer hoffen könne. Dann bat der Arzt um Hammer, Meißel, Zange und Schnur. Die alten Frauen geisterten lange durchs Haus, und da sie nicht wussten, wie Zange und Meißel aussehen, brachten sie dem Arzt alles, was sie für Werkzeug hielten. Der Arzt fluchte lange, aber schließlich bekam er die verlangten Werkzeuge und forderte alle auf, den Raum zu verlassen. Die alten Frauen platzten fast vor Neugier und leisteten der Aufforderung nur widerwillig Folge. Als sie schimpfend und murrend hinausgegangen waren, schloss der Arzt hinter ihnen die Tür ab und ging zur Swjakina. »Na, dann wollen wir mal«, sagte der Arzt, packte die Swjakina unsanft und fesselte sie mit der Schnur. Ohne das laute Schreien und Heulen der Swjakina zu beachten, setzte der Arzt den Meißel an ihren Kiefer und schlug kräftig mit dem Hammer darauf. Die Swjakina heulte mit heiserer Bassstimme auf. Nachdem der Arzt die Kiefer der Swjakina mit dem Meißel zertrümmert hatte, nahm er die Zange zur Hand, fasste damit die Kiefer der Swjakina und riss sie mit einem Ruck heraus. Die Swjakina jaulte vor Schmerz, schrie und röchelte, blutüberströmt. Der Arzt warf die Zange und die ausgerissenen Kiefer der Swjakina auf den Fußboden, zog den Kittel aus, wischte sich daran die Hände ab, ging zur Tür und öffnete sie.
    Die alten Frauen stürmten kreischend ins Zimmer und glotzten mal die Swjakina an, mal die blutigen Klumpen auf dem Fußboden. Der Arzt drängelte sich zwischen den alten Frauen durch und ging. Die alten Frauen stürzten zur Swjakina hin. Die Swjakina war still geworden und lag offenbar im Sterben. Die Juflewa stand daneben, sah die Swjakina an und knackte Sonnenblumenkerne. Die alte Bjaschetschkina sagte: »Tja, Juflewa, eines Tages gehen auch wir heim.« Die Juflewa trat nach der Bjaschetschkina, aber die konnte noch rechtzeitig zur Seite springen.
    »Gehen wir, Weiber!«, sagte die Bjaschetschkina. »Was können wir hier noch tun? Soll sich die Juflewa mit der Swjakina rumärgern, wir gehen wieder Fliegen klatschen.« Die alten Frauen verließen das Zimmer.
    Die Juflewa, die weiter ihre Sonnenblumenkerne knackte, stand mitten im Zimmer und sah die Swjakina an. Die Swjakina war still und lag reglos da. Vielleicht war sie tot.
    Doch damit beendet der Autor seine Erzählung, denn er kann sein Tintenfass nicht finden.
     

    Charms hat hier und im folgenden einzelne Elemente oder das gesamte

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