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Trips & Träume

Trips & Träume

Titel: Trips & Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
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den, der stirbt, sondern für den, der überlebt. Ich weiß es nicht mehr genau, doch ich glaube, dieser kluge Satz stammt von Karl Marx. Ich hatte ihn in Augustes Sparkassenkalender entdeckt, der bei uns in der Küche an der Wand neben dem Telefon hing.
    Jeder in unserer Korona hatte seine eigene Art, mit der Trauer umzugehen. Auf der Anna Margaretha hatte ich geheult, als Johann Frederik die Suche abbrach. Jetzt kamen keine Tränen mehr.
    Es war schlimmer. In den folgenden Tagen und Wochen sollte Niedergeschlagenheit mein ständiger Begleiter werden. Sie legte sich wie eine graue Decke über alles.
    Don, Mark, Tom und Doro waren in Andis Käfer gefahren. Huguette, Karen, Giulia und ich im Kadett. Es war eine schweigsame Fahrt, jeder hing seinen Gedanken nach. In unserer stummen Trauer meinte ich eine Verbundenheit zu spüren. Ich hatte das unbestimmte Verlangen, mich an etwas festzuhalten, um nicht ins Bodenlose zu stürzen. Darum starrte ich auf die Autobahn und behielt den Mittelstreifen im Blick.
    Immer wieder kam mir in den Sinn, dass sich seit dem Festival mein Verhältnis zu Andi verändert hatte. Es war so etwas wie Freundschaft entstanden. Der arrogante Schwätzer, für den ich ihn einmal gehalten hatte, war mir ans Herz gewachsen.
    Ich drehte mich um und sah Karen an. Ihre Augen waren voller Tränen. Ihre Hand suchte die meine.
    Lange saßen wir so da, sie nach vorn gebeugt auf der Rückbank, ich zur Seite gedreht, ihre Hand haltend.
    Im Morgengrauen luden wir Mark, Don und Giulia am Rats aus. Sie schulterten ihre Rücksäcke und verschwanden grußlos. Es waren nur fünf Minuten zu Fuß bis zum Müsli, wo sie schlafen würden.
    Tom stellte Andis Wagen auf dem Parkplatz vor der Berufsschule ab. Karen schloss die Wohnung überm Rats auf, was ich sehr tapfer fand, ich hätte das nicht gekonnt. Sie stellte seine Sachen in den Flur, legte die Schlüssel auf den Küchentisch und zog die Tür leise hinter sich zu.
    Dann setzten wir Tom und Doro vor dem Haus von Doros Eltern ab und brachten Karen nach Hause.
    Ich trug ihr den Rucksack bis zur Tür. Stumm umarmten wir uns.
    Es war bereits hell, als Huguette in unsere Straße einbog.
    Die Anstrengungen der vergangenen vierundzwanzig Stunden ließen mich sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf fallen.
    Irgendwann nachmittags wurde ich wach, zog mich an und schlich hinunter in die Küche. Auf dem Tisch lag eine Nachricht von Auguste. Huguette sei auf der Arbeit, sie selbst einkaufen, im Kühlschrank würde ich einen Nudelauflauf finden. Ich stellte die Form in den Backofen, und nach zwanzig Minuten sah der Auflauf braun und knusprig aus. Bewaffnet mit einem Topflappen holte ich ihn heraus, schaltete den Herd ab, lud Apfelsaft, Besteck und die Form auf ein Tablett und verzog mich wieder.
    Nachdem ich mir den Bauch vollgeschlagen hatte, schlief ich erneut ein. Als ich erwachte, war es draußen wieder dunkel, durch mein Fenster konnte ich die Sterne sehen wie auf dem IJsselmeer. Die Uhr auf dem Obstkistennachttisch zeigte kurz vor Mitternacht. Ich legte Yeti von Amon Düül II auf, versuchte zu lesen, Acid, die Textsammlung neuer amerikanischer Autoren, die Andi empfohlen hatte, und schlug ein Gedicht von Charles Bukowski auf. Ich konnte mich aber nicht auf den Text konzentrieren und haute mich wieder hin. Vielleicht, so dachte ich, wenn ich nur lange genug schliefe und dann aufwachte, wäre alles wie früher. Ich fühlte mich wie betäubt.
    Auch den nächsten Tag blieb ich in meinen Zimmer. Musik hören und pennen. Verkriechen vor der Welt. Von niemandem etwas hören und sehen.
    Als am Abend die Haustür ins Schloss fiel, nahm ich das als Signal, mein Exil zu beenden. Ich musste wieder unter Menschen. Zurück ins Leben.
    Huguette sah blass aus. Trotz Make-up, Businesskostüm und Doris-Day-Lächeln. Sie saß auf der Eckbank in der Küche, vor sich auf dem Tisch die Post.
    »Wo ist Auguste?«, fragte ich.
    »Sie hat sich schon schlafen gelegt.«
    Ich setzte mich neben sie. »Wie geht es dir?«
    Huguette schaute auf. »Ich arbeite wieder, das hilft. Und du?«
    Ich wich ihrem Blick aus. »Ich fühle mich irgendwie leer.«
    Sie hielt mir einen Briefumschlag hin. Er sah amtlich aus.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    Mir klopfte mit einem Mal das Herz bis zum Hals. Ich hatte Huguette nichts erzählt. Der Korona auch nicht. Nur Karen wusste davon.
    »Nun sag schon«, drängelte sie in ihrem Chefsekretärinnen-Ton.
    Während ich las, beschleunigte sich mit jeder Zeile mein

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