Trips & Träume
locker. »Wer hat dir den Trip gegeben?«
Ich schob mich in eine aufrechte Position, lehnte mich an die Wand. »Alles halb so wild. Kein Stress, bitte. Der Stoff ist in Ordnung, mir geht es gut, wirklich«, antwortete ich.
»Du bist anscheinend noch immer drauf.«
»Das LSD wirkt immer noch«, sagte ich, »aber mach dir keine Sorgen, ich hab keine Halluzinationen mehr. Ich will einfach nur ruhig ein bisschen hier sitzen und den Trip ausklingen lassen.«
»Du versprichst mir, nie wieder so einen Scheiß zu machen und mir solche Angst einzujagen«, ermahnte sie mich.
»Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder einen Trip einwerfen werde, aber wenn, dann sage ich dir Bescheid.«
»Ich bin nicht dein Aufpasser, du musst selbst wissen, was du tust. So, ich gehe jetzt nach Hause.«
»Danke«, sagte ich.
Sie schaute mich strafend an. »Du solltest dieses Zeugs nicht nehmen, du verträgst es einfach nicht.«
»Is ja gut, ich merk es mir.« Ich hatte keine Lust zu diskutieren, das Ziehen und Zucken war noch da, wenn auch schwach.
»Andi und Mark«, sagte sie unvermittelt.
»Was ist mit denen?«
»Die gehen mir heute ganz schön auf die Nerven.«
»Erzähl. Ich weiß aber nicht, ob ich mir alles merken kann, so bedröhnt, wie ich bin«, sagte ich.
Sie wollte, musste es loswerden. »Ich habe mich mit Mark unterhalten. Er hat mir von seinen Plänen in Sachen Musik erzählt. Dann kommt Andi rein, setzt sich neben mich und macht ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Ich hab versucht, ein Gespräch unter uns dreien anzufangen. Doch die Herren der Schöpfung haben sich nur angeschwiegen. Das war alles ganz schön merkwürdig.«
»Merkwürdig, ja ...«, antwortete ich. Genau so fühlte ich mich.
»Was ist da los, kannst du mir das erklären?«
»Karen, bitte, ich bin noch auf Trip. Stell mir nicht so schwierige Fragen. Du weißt genau, was da abgeht. Die Jungs sind scharf auf dich.« Um dies zu sagen, musste ich meine ganze Konzentration aufbringen.
Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. »Hör bitte auf, so zu reden.«
»Anscheinend genießt du es, von zwei Jungs umschwärmt zu werden.«
»Spinnst du? Na ja, irgendwie ...«
Trotz des LSD war ich plötzlich in der Lage, einen Gedanken zu formulieren. »Könnte es sein, dass du bei Männern nicht weißt, was du willst oder wen du willst?«
Sie beugte sich über mich und gab mir einen freundschaftlichen Kuss auf die Stirn. »Ich sammel Miti und Rike ein. Die übernachten bei mir.«
»Das sind doch die, die dich nach Christiania entführen wollen, richtig?«
Sie hörte es nicht mehr, sie war schon weg.
Ich schaute mich um. Das Sit-in im Matratzenzimmer war anscheinend beendet. Matti hatte seine Versuche, durch Wände hindurchzugehen, aufgegeben. Er lag in der hinteren Ecke und schlief. Im Flackern der wenigen Kerzen, die noch brannten, registrierte ich eine Bewegung. War das nicht Moses, der da mit Moni zugange war? Sie kuschelten in einem Schlafsack. Ihnen dabei zuzugucken, wie sie sich näherkamen, darauf hatte ich keinen Bock. Hier gab es nichts mehr für mich zu tun. Das Acid brachte mich schließlich wieder auf die Beine.
*
Mark und Andi hockten am Küchentisch. Wie ich sie so da sitzen sah, ging mir auf, dass sie sich ähnlicher waren, als sie es vielleicht selbst wahrhaben wollten. Beide waren ehrgeizig und talentiert. Sie hatten nur unterschiedliche Wege, zum Ziel zu kommen. Mark war der Bauchtyp, impulsiv und emotional. Andi war kopfgesteuert und kontrolliert. Trotzdem hatten sie eines gemeinsam: Beide sahen Musik als Sprungbrett für etwas Anderes, Neues und Großes. Ihnen traute ich zu, das zu erreichen, was sie sich mit der Musik vorgenommen hatten. Jeder auf seine Weise. Leider waren sie in ein und dieselbe Frau verliebt.
Dies alles machte sie zu Rivalen.
Klassische Konstellation. Wie in einem griechischen Drama.
Die Wirkung des Acids klang ab. Vorsichtig ging ich auf den Tisch zu. Ich fühlte jeden Muskel meines Körpers, aber nicht wie bei einem Kater. Ich war mir plötzlich bewusst, dass mein Körper aus Zellen und Flüssigkeit bestand. Dieses neue Gefühl gab mir die Gewissheit, auf Wolken zu schweben.
Als ich mich zu Mark und Andi setzte, unterlag ich einer Art Perspektivenwechsel. Ich hatte mal über sogenannte außerkörperliche Erfahrungen gelesen; vielleicht war ich ja drauf und dran, so was hier und jetzt zu erleben. Es war, als wäre ich aus dem Bild herausgetreten – ich konnte mich selbst beobachten bei dem, was ich gerade
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