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Trips & Träume

Trips & Träume

Titel: Trips & Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
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treffen wir uns im Continental«, sagte Don, die Hand am Türgriff. Wir schlichen hinein.
    Der Saal war bestuhlt. Auf den ersten Blick kein freier Platz mehr zu entdecken. Mark, Andi und ich wählten den Weg an der Wand entlang nach vorn zur Bühne. Dort hockten die Leute vor der ersten Stuhlreihe eng nebeneinander auf dem Boden. Wir quetschten uns dazwischen. Don und Giulia waren am Eingang geblieben. Inzwischen liegen sie knutschend in einer Ecke, dachte ich. Giulia hatte sich den Spaß verdient, hatte sie uns doch auf richtig coole Art hier reingebracht.
    Philip Catherine, Steve Khan und Larry Coryell gehörten zu den besten Gitarristen im Jazz. Sie lieferten sich gerade ein heftiges Duell.
    Die elektrische Gitarre verleitet dazu, sich für unwiderstehlich zu halten. Catherine, Khan und Coryell waren tolle Hengste, kein Zweifel. Sie ließen ihrer Virtuosität freien Lauf. Wer ist der Schnellste auf sechs Saiten, hieß ihr Motto für den Abend, so als wollten sie sich gegenseitig in ihrem Können übertreffen. Sie hatten sichtlich Freude an ihrem Spiel. Sie grinsten sich dauernd an und ließen pfeilschnell die Finger übers Gitarrenbrett sausen.
    Im hinteren Teil der Bühne erkannte ich John Martyn. Der englische Musiker war bekannt für seine melancholischen Lieder. Er passte so gar nicht in diese Truppe abgeklärter Saitenquäler. An seinen Verstärker gelehnt, stand er einfach nur da und schaute mit glasigem Blick ins Publikum. Die Hände hielten zwar die Gitarre, aber es kam kein Ton heraus. Martyn war sturzbetrunken und geriet mit einem Mal in Schieflage. Er drohte seitlich abzurutschen und auf die Bühne zu knallen. Ein Roadie tauchte auf und stellte ihn wieder in Position.
    Mit der Kippe im Mund zupfte Rory Gallagher lustlos auf seiner abgewetzten Fender Stratocaster. Die Jazz-Duelle von Coryell & Co. schienen ihn zu langweilen. Hier und da ein kleiner Jauler, das war alles, was von ihm zu hören war. Er stand in seiner Ecke, abwartend wie ein Boxer, bereit, zum entscheidenden Schlag auszuholen.
    Larry Coryells Finger flogen über die Saiten, ein furioses Solo jagte das nächste. In diesem Moment kam Rory aus der Deckung. Wie von der Tarantel gestochen, preschte er zum Bühnenrand. Mit dem rechten Fuß stampfte er vier Takte vor und rockte mitten in das filigrane Gedudel von Coryell hinein einen Blues. Catherine, Khan und auch Coryell schauten sich überrascht an. Sie brauchten drei Schrecksekunden, dann stimmten sie ein in Gallaghers enthusiastisches Spiel. John Martyn erwachte aus seinem Delirium. Der Roadie erschien wieder und schaltete Martyns Verstärker an.
    Fünf Gitarristen fetzten nun um die Wette.
    Die Freaks waren von ihren Plätzen aufgesprungen und tanzten. Auch weiter hinten im Saal hielt es niemanden mehr auf den Sitzen.
    »Lustiger Auftritt«, kommentierte Andi.
    »Von den Rock ’n’ Rollern kann man lernen, was eine Show ist. Vielleicht kapierst du es jetzt endlich. Nicht nur aufs Können kommt es an, sondern auch auf die richtige Performance«, plärrte ich ihm ins Ohr.
    Als wir morgens um fünf ins Continental zurückkamen, lagen Don und Giulia schon in ihren Penntüten und trieben es, bis die ersten Sonnenstrahlen ins Zimmer fielen. Das Gestöhne ließ mich nicht einschlafen. Ich glaube, Mark und Andi ging es nicht anders.
    *
    »Ihr seid sehr pünktlich, das lob ich mir«, sagte Fürst.
    Das Palace-Hotel hatte von außen Ähnlichkeit mit dem Continental, mit dem Unterschied, dass es in einem deutlich besseren Zustand war.
    Kaum hatten wir die Lobby betreten, schienen wir uns auf einem anderen Planeten zu befinden. Wir schritten staunend durch die Wirklichkeit gewordenen Phantasien eines Innenarchitekten, dessen Gestalterwahn keine Grenzen kannte. Wie bei den Anthroposophen gab es keine rechten Winkel. Die Korridore und Aufgänge hätten von Salvador Dalí entworfen sein können, sie schienen zu zerfließen. Jedes Zimmer hatte eine andere Einrichtung, ein anderes Interieur. In der Empfangshalle hingen Fotografien, darunter kurze Texte zum Design. Die Stilrichtungen hießen Apollo, Midas, Dagon, Abrax, Veruso und Silenus. Was die Namen bedeuteten, stand da nicht. Das war anscheinend egal; wenn es gut klang, bedurfte es keiner Erklärung. Zumindest stellte ich mir vor, dass die vom Designerirrsinn Angesteckten so dachten.
    Fürst hatten sie in einem Silenus-Zimmer untergebracht. Der Teppich war mit grellbunten geometrischen Figuren überzogen. Auf der Tapete entfaltete sich ein

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