Trips & Träume
übernachten können?«
»Ich nehme nicht an, dass ihr Krishnas Hilfe wollt, sonst könnte ich euch in unseren Ashram einladen, den wir neu in Montreux gegründet haben.«
Er reichte mir ein Buch mit einem bunten Einband.
Die heiligen Worte seines Gurus.
Ich schüttelte den Kopf. »Sami, das ist doch ein Künstlername?«
»Früher nannte man mich Jürgen. Das ist der Name, den meine Eltern mir gegeben haben. Da fällt mir was ein. Wenn ihr rechts den Kai hinuntergeht, kommt ihr an ein altes leerstehendes Haus. Das war früher mal ein Hotel. Da wohnen viele Freaks wie ihr.«
Ungläubig hakte ich nach: »Du meinst ein richtiges Hotel, man kann darin wohnen und muss keinen Pfennig zahlen?«
»Bitte entschuldige mich, wir müssen weiter«, antwortete Sami und machte ein letztes Mal das Ritual mit den Händen.
Das Getrommel, die Glöckchen und der Singsang setzten wieder ein. Mit Sami an der Spitze hüpften die Krishnas tanzend zurück zur Uferpromenade.
Don und Andi, die sich im Hintergrund gehalten hatten, traten näher.
Wir schauten der Gruppe nach.
Bald war sie nicht mehr zu sehen, nur ihr Lied hallte über den See und durch das Tal bis hinauf zu den Bergen.
»Hare Krishna, Hare Rama, Hare Rama, Krishna, Krishna.«
*
Das Hotel hatte seine beste Zeit hinter sich. Es war ein Jahrhundertwendebau aus braunem Stein, keine hundert Meter von dem Ort entfernt, an dem die Krishnas ihre Prozession aufgeführt hatten. Das Dachgebälk war an einer Stelle stark beschädigt, als hätte dort eine Abrissbirne eingeschlagen. Ich blickte zum Himmel. Es sah nicht nach Regen aus. Nass würden wir erst mal nicht.
Die gesamte Front des ersten Stockwerkes war ein durchgehender Balkon. Das Geländer war noch vorhanden. Mit Brettern vernagelte Fenster. Als wir näher kamen, wehte aus dem dritten Stock Musik zu uns herunter. Unterhalb des Balkons prangte eine alte verblasste Schrift, einige Buchstaben waren nicht mehr zu erkennen.
H TEL CT NTAL
Hotel Continenta l sollte das wohl heißen.
Mark hockte auf der Kaimauer und schmollte.
»Manchmal kannst du so was von verbockt sein«, sagte ich.
Er reagierte nicht. Was war bloß los mit ihm, konnte er es nicht ertragen, wenn ich ihm einmal widersprach? Ich dachte an Samis Worte. In Mark wüteten manchmal Kräfte, die er besser auf dem Schlagzeug austoben sollte.
Don zog Mark von der Mauer. »Wir wissen jetzt, wo wir pennen können.« Sie liefen voraus. Andi zuckte mit den Schultern. Dann marschierten er und ich hinter ihnen her.
Eine steinerne, von allerlei Unkraut bewachsene Treppe führte zum Eingang hoch. Dort klaffte statt einer Tür ein gähnend schwarzes Loch.
Was war das hier, ein Geisterhaus?
Don wagte sich als Erster hinein. Wir folgten ihm in einigen Metern Abstand. Es war so dunkel, dass ich nicht einmal meine Hand vor den Augen erkennen konnte. Ich knallte mit dem Knie gegen etwas Hartes. Das musste ein Tisch oder Stuhl sein.
Ich tastete mich weiter. Nach und nach nahm die Umgebung Konturen an. Ich erkannte, dass wir in einer großen Halle standen; links war die Rezeptionstheke, vielleicht fünf Meter lang, daneben drei Telefonkabinen, die vermutlich nicht mehr funktionierten. Die Türen hingen schief in den Angeln, Kabel ragten aus der Wand. Auf der rechten Seite konnte man einen Fahrstuhl erkennen, die Tür stand offen, alles deutete darauf hin, dass er länger nicht mehr benutzt worden war. Geradeaus tat sich eine breite Treppe auf, die einladend nach oben führte, dorthin, wo die Musik herkam.
Don stand neben den Telefonkabinen und fummelte an einem kleinen Kasten herum. »Strom können wir vergessen«, rief er zu uns hinüber.
Plötzlich hallten Stimmen durch die Lobby. Mehrere Freaks stürmten die Treppe hinunter. Sie verstummten, als sie uns entdeckten. Jemand löste sich aus der Gruppe und kam auf uns zu.
»Do you need help?«
Sie war nicht größer als einen Meter sechzig und von zierlicher Gestalt. Ein ärmelloses T-Shirt brachte ihre großen Brüste mehr als deutlich zur Geltung.
Don war schneller als ich. »What’s your name?«
»I’m Giulia. I’m here with my friends.«
Ein Lächeln erschien auf ihrem hübschen Gesicht. Sie zeigte zur Treppe. Ihre Freunde setzten sich wieder in Bewegung, gingen grußlos zum Ausgang, ohne von uns Notiz zu nehmen.
»Where do you come from?«, fragte Don weiter.
»Italy«, antwortete Giulia und strahlte Don an.
Die beiden schienen sich bestens zu amüsieren. Sie wollten gar nicht mehr aufhören, sich
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