Trips & Träume
keines Blickes würdigend, auf die Garderobe zu und verschwand im Casino. Und die Musikfreaks nutzten den Brunnen als Treffpunkt. In Grüppchen standen sie um das wasserspuckende Teil herum, als sei dies für sie das Selbstverständlichste auf der Welt.
Wir drehten eine Runde durchs Foyer. Aus einem Infoständer schnappte ich mir eines der kostenlosen Programmhefte.
»Heute spielt Larry Coryell«, sagte ich.
»Den würde ich gern sehen«, meinte Andi.
»Ich hab aber keine Kohle«, fing Mark wieder an.
Giulia überlegte kurz. »Ich weiß einen Weg.«
Wir folgten ihr ins Freie und gingen am Rande des menschenleeren Parkplatzes ums Casino herum. Am hinteren Ende des Gebäudes hielt sie inne.
»Hier ist es«, sagte sie.
Eine Reihe von rechteckigen Kellerfenstern, davor Gestrüpp. Zielstrebig marschierte Giulia auf eines der Fenster zu. Dann winkte sie uns.
»Gestern habe ich es entdeckt. Ich musste pinkeln. Weit und breit war kein öffentliches Klo in Sicht. Also habe ich mich hinter das Gebüsch gesetzt. Dabei fiel mir auf, dass das Fenster einen Spaltbreit offen war«, erklärte sie.
Jetzt sah es verschlossen aus. Es hatte keinen Riegel oder Griff, was darauf hindeutete, dass es sich nur von innen öffnen ließ.
Giulia drückte gegen die Scheibe, die augenblicklich nachgab.
Erstaunt schauten wir uns alle an. »Da kommen wir niemals durch«, brummte Don. Die Öffnung sah wirklich nicht danach aus, dass sie groß genug war, um hindurchzuklettern.
Mark und Don hielten Giulia an den Händen fest und ließen sie rückwärts durch den Spalt gleiten. Sie passte genau hindurch. Als Nächster ging Andi. Er zog sein Jackett aus und gab es mir. Auf halbem Weg blieb er stecken. Ich drückte an seinen Schultern, Giulia zog an den Füßen. Plötzlich gab etwas nach, und Andi rutschte hindurch. »Mist«, hörte ich ihn schimpfen.
»Alles in Ordnung da unten?«, rief Don.
Ich hielt ihm die Hand vor den Mund. »Schrei nicht so, sonst werden wir noch entdeckt.« Mark kam problemlos durch den Spalt, Don auch. Ich warf Andis Jackett durchs Fenster und robbte mich schließlich rückwärts in die Öffnung hinein. Hände tasteten nach meinen Beinen und hielten mich. Dann ging es erst mal nicht weiter. Ich hing am Sims fest. Was war nun los?
»Du kannst loslassen«, flüsterte Mark. »Wir haben dich.«
Sekunden später spürte ich wieder Boden unter den Füßen.
Andis Hemd hatte einen Riss quer über die Brust.
»Hast du dich verletzt?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf und streifte sich das Jackett über. Meine Klamotten waren heil geblieben. Ich schaute mich um. Ein schmaler, länglicher Raum. An der Decke verliefen Rohre, eine Neonlampe flackerte tapfer gegen das allmähliche Sterben ihrer Lichtkraft an.
Es roch nach Öl. Eine Heizungsanlage, die die komplette Längsseite einnahm, summte vor sich hin.
»Wieso läuft im Sommer die Heizung?«, fragte Mark.
»Warmes Wasser«, antwortete Don.
Ich war mir nicht sicher, ob unser Abenteuer hier nicht bereits beendet sein würde. »Wie geht es weiter?«, fragte ich.
Giulia zeigte auf die Eisentür. »Dahinter liegt das Paradies.«
Das Paradies, das war der Konzertsaal, dort mussten wir unbemerkt hineingelangen. Das Konzert mit Larry Coryell und seinen Gitarrenkollegen Philip Catherine, Steve Khan, John Martyn und Rory Gallagher hatte bestimmt schon begonnen. Fünf Instrumentalisten der Spitzenklasse auf einer Bühne. Wow, das durften wir uns nicht entgehen lassen.
Giulia drückte die Klinke. Ein kurzer Ruck, die Tür ging auf.
»Darf ich bitten«, sagte sie.
Wir standen in einem unbeleuchteten Treppenhaus. Im Dunkeln tasteten wir uns zwei Stockwerke hinauf, bis eine weitere Tür vor uns auftauchte.
»Okay, jetzt kommt es drauf an«, sagte Giulia.
Es funktionierte ein weiteres Mal.
betraten einen hell erleuchteten, fast quadratischen Raum. Er war mit Teppich ausgelegt, an der Decke hing ein Kronleuchter. Eine Bar, Stehtische. Niemand war zu sehen. An den Wänden eine Holzvertäfelung wie im Rats, nur in einem besseren Zustand. Auf der Stirnseite ragten zwei große Griffe aus der Vertäfelung wie bei einer Schwingtür. Das musste der Eingang zum Saal sein. Dahinter drangen Gitarrenklänge zu uns.
Andi sprach aus, was alle dachten. »Nicht zu fassen, so viel Schwein, das gibt es doch gar nicht.«
Keine Security. Die Bedienung an der Bar machte Pause oder war auf Toilette, anders war nicht zu erklären, dass wir nicht auffielen.
»Sollten wir uns verlieren,
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