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Trips & Träume

Trips & Träume

Titel: Trips & Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
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dagegen.
    »Die wird mit Westgeld gebaut. Unsere Regierung stopft denen drüben das Geld in den Rachen.«
    Ich deutete auf sein Jackett. »Das Blatt, das du liest, schreibt doch immer, in der DDR, das seien unsere Brüder und Schwestern.«
    »Du gehst mir auf den Sack.«
    Er kratzte sich demonstrativ zwischen den Beinen und grinste blöd.
    Was war nun los, politische Diskussionen waren doch sonst nie sein Ding. Ob er noch bei der Jungen Union war, wusste ich nicht. Aber wenn er eine kleine Diskussion wollte, bitte schön.
    »Tatsache ist«, sagte ich, »dass du mit den neuen politischen Zeiten nicht klarkommst. Willy Brandt in Bonn, Salvador Allende in Chile, Olof Palme in Schweden, da weht ein neuer Wind in der Welt.«
    »Diktatur des Proletariats, dass ich nicht lache, Kommunismus, das ist die Herrschaft der Parteibonzen.«
    Was hatten Brandt, Allende und Palme mit Marx zu tun? Nicht mehr viel. Diese Erkenntnis war bei Don anscheinend noch nicht angekommen.
    »Völker hört die Signale«, sagte ich. Und um ihn weiter zu ärgern, ballte ich die linke Hand zur Faust.
    »Ja, ja, macht kaputt, was euch kaputt macht. So ein Quatsch!«
    »Schau dir an, was Mark passiert ist. Er wehrt sich gegen die Verhältnisse, die ihn kaputt machen.«
    »Hat er seinem Alten wirklich eine reingehauen?«
    »Er hat ihm eine Ohrfeige verpasst. Das ist was anderes als reinhauen. Aber ich kann dir sagen, heftig war das schon.«
    »Was hat er jetzt vor, von irgendwas muss er doch leben?«
    »Vorläufig wohnt er im Müsli.«
    »Ich bin zwar sein Manager, aber durchfüttern werde ich ihn nicht.«
    »Er meinte, er werde sich einen Job besorgen, um sich so Geld für Berlin zusammenzukratzen.«
    »Glaub ich nicht. Das passt nicht zu ihm«, antwortete Don.
    Mark in der Fabrik, und einen anderen Job gab es in unserem Kaff nicht, konnte ich mir auch nicht vorstellen. Er war kein Malocher wie sein Vater. Morgens um sechs Uhr auf Schicht, das war nicht seine Welt. Selbst jetzt, wo er die Kohle gut gebrauchen konnte, würde er das nicht machen.
    »Hat er dir auch so einen Floh ins Ohr gesetzt?«, fragte ich.
    »Wer? Mark?«
    »Fürst. Was hat er dir erzählt?«
    »Er sagte, jemanden wie mich könne er gebrauchen. Konzerte organisieren und Künstler betreuen. Ich hätte ein Händchen dafür.«
    »Was soll das? Erst Mark, jetzt du. Der wirbt uns die Leute ab.«
    »Ich könnte bei ihm sozusagen in die Schule gehen, das Handwerk der Musikbranche von der Pike auf lernen, eine richtige Ausbildung machen.«
    »Na, toll. Das ist doch alles nur heiße Luft.«
    »Genug geredet. Los jetzt, sonst verspäten wir uns«, antwortete Don.
    Das Rathaus war aus rotem Backstein, erbaut zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Hier residierte Wagner, Oberbürgermeister, Chef der örtlichen CDU und Duzfreund von Dons Vater.
    »Don?«
    »Was ist denn noch?«
    »Das Scheiß-Kartenleger-Ding lässt mir keine Ruhe.«
    »Deswegen machst du dir in die Hose? Ist ja nicht zu fassen.«
    »Hey, ich habe die Todeskarte gezogen.«
    »Du glaubst doch eh nicht an diesen Mist«, antwortete er mittleidig.
    »Aber was könnte sie gemeint haben?«
    »Bin ich Hellseher? Komm jetzt«, drängelte er.
    In der Eingangshalle steuerte Don auf den Pförtner zu.
    Der saß in einem kleinen, rechteckigen Kabuff und glotzte stumpf durch die Glasscheibe. Er starrte uns an, als stünden zwei Aliens aus Invasion von der Wega vor ihm, obwohl wir brav aussahen – Don im Kaufhof-Jackett und ich mit der Cordjacke.
    Der Pförtner öffnete die Sprechklappe und brummte: »Wo wollt ihr hin?«
    Don war die Gelassenheit selbst. »Zu Herrn Wagner.«
    »Da braucht ihr einen Termin.«
    Don betrachtete sich in der Scheibe des Kabuffs, als handle es sich um einen Spiegel und zupfte sich die imaginäre Krawatte gerade.
    »Den haben wir, guter Mann, den haben wir«, sagte er.
    Hastig griff der Typ nach dem Telefon und wählte eine Nummer. Ich konnte seine Worte nicht verstehen, er hielt eine Hand an die Muschel.
    Was war bloß in den gefahren? Rief er Kollegen zu Hilfe? Glaubte er, wir wollten den leeren Stadtsäckel mitgehen lassen?
    »Dritte Etage, Zimmer 311. Frau Wiegand«, knurrte er, ohne aufzusehen.
    Wir nahmen die Stockwerke im Laufschritt. Ich klopfte an.
    »Herein!«, hallte es hinter der Tür.
    Sofort fiel mir die Enge auf. Der Raum war vollgestellt mit Schränken.
    Stuck an der Decke, weißer Anstrich, der mal eine Aufhellung nötig gehabt hätte. Zur Straße hinaus zwei große Fenster. Wenigstens würde man nicht

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